Der Fluch des Koenigs
erinnerte Moa an ihren eigenen durchweichten Umhang. Sie streifte die Kapuze vom Kopf, band den Umhang los und breitete ihn über dem einzigen Stuhl aus, der zwischen Tisch und Feuer stand.
Das Kleid, das Elora ihr gegeben hatte, klebte unangenehm an ihrem Körper. Moa schaute zu Boden. Sie tropfte wie eine Regenwolke.
„Dank den Klippen, Elora“, murmelte Joesin. Er zog zwei kleine Päckchen, einen winzigen Stoffbeutel und einige schmale, aufgerollte Stoffbinden aus dem Rucksack und legte sie sorgfältig auf den Tisch. Als letztes folgte ein kleiner Dolch mit schlichter, silberner Klinge.
Da Moa fürchtete nicht länger stehen zu können, ließ sie sich auf den Stuhl niedersinken. Sie wagte nicht zu fragen, was Joesin vorhatte.
Er beachtete sie ohnehin kaum. Mit grimmigem Gesichtsausdruck nahm er den kleinen Stoffbeutel, ging an ihr vorbei zur Feuerstelle und sank vor den Scheiten in die Hocke. Er öffnete den Beutel und tauchte Daumen und Zeigefinger vorsichtig hinein. Als er sie zurückzog, glitzerte ein weißliches Pulver zwischen seinen Fingerspitzen. Sorgfältig verstreute er es über den Holzscheiten. Dann nahm er etwas zur Hand, das für Moas aussah wie zwei Steine, und stieß sie über den Scheiten aufeinander, bis winzige Funken flogen. Einer der Funken kam mit dem weißlichen Pulver in Berührung. Im nächsten Augenblick loderte eine Stichflamme auf, die das Holz augenblicklich in Brand setzte.
Moa war zu erschöpft, um überrascht zu sein. Sie saß nur da, zitternd, mit klappernden Zähnen, und starrte die aus dem Nichts erschienenen Flammen aus halb geschlossenen Augen an. Ihr warmer Schein tanzte über die Wände der Hütte und verwandelte Joesins Bewegungen in trügerische Schattenspiele.
Im diesem Licht konnte Moa seine Wunde deutlich erkennen. Der Anblick des vielen Blutes auf Joesins Hemd und das geborstene Holz des Pfeilschaftes erschienen ihr wie ein stummer Vorwurf. Unbehaglich räusperte sie sich, um zu einer Entschuldigung anzusetzen, bereute es jedoch sofort, als ein scharfer Schmerz durch ihre Kehle schnitt.
Joesin erhob sich ungelenk und wankte zum Tisch. Er wollte gerade nach einem der Päckchen greifen, da blieb sein Blick an Moas Gesicht hängen. Seine Augen wanderten über ihre Wange und die aufgeplatzten Lippen.
Sich seiner gründlichen Musterung übermäßig bewusst, fasste Moa nach dem Kragen ihres Kleides und zog den Stoff über ihrem Hals zusammen. „Es ist nicht so schlimm wie es aussieht“, sagte sie mit heiserer Stimme und dachte an den Pfeil in seinem Rücken. Sie schluckte und schloss für einen Moment die Augen. Sprechen tat weh.
Joesin ballte eine Hand zur Faust, erwiderte jedoch nichts, die Augen starr auf ihr pochendes Gesicht geheftet. Die Muskeln an seinem Kiefer und um seine Augen spannten sich.
„Glaub mir, es geht schon.“ Moa hob eine Hand um die Blutergüsse zu verdecken.
Das holte Joesin endgültig aus seiner Erstarrung. Er löste seine Augen von ihr und richtete den Blick auf das Päckchen und die Stoffbinden vor ihm.
Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus, während Joesin sich mit der rechten Hand an einem der braunen Päckchen zu schaffen machte. Ein würziger Kräuterduft entströmte ihm und kitzelte Moa in der Nase. Sie rutschte auf dem Stuhl hin und her. Ihre Müdigkeit war über den Punkt der völligen Erschöpfung hinausgegangen und hatte einer Unruhe Platz gemacht, die ihr in den Gliedern und auf der Haut juckte.
Joesin schien es bemerkt zu haben. Er wies mit dem Kopf zum Feuer. „Du kannst den Kessel mit Wasser füllen und einen der Töpfe, die dort hängen, ebenfalls.“
Moa nickte. Dankbar eine Aufgabe zu haben sprang sie auf und nahm einen der größeren Töpfe neben der Feuerstelle herunter. Er war schwerer, als sie gedacht hatte, alt und verbeult, aber sauber.
„Wo ...?“, fragte sie zögerlich und überlegte, ob sie den Topf einfach in den Regen stellen sollte.
„Hinter der Hütte ist ein kleiner Wasserfall.“
Moa trug den Topf zur Tür und stieß sie mit dem Fuß auf. Dicke Regentropfen prasselten auf die schlammige Erde um die Hütte und den schwarzen Tannenwald. Einige Tropfen fielen vom Dach in Moas Nacken. Schaudernd zog sie den Kopf ein und hastete um die Hütte herum zu dem kleinen Wasserfall, der dort von der Felswand rauschte. Länger als notwendig verharrte sie vor dem Wasser. Durchsichtiges Leuchten über blankem Fels. Es erinnerte sie so stark an ihre Heimat, dass ihr Tränen in die Augen
Weitere Kostenlose Bücher