Der Fluch des Koenigs
Händen. Graue und weiße Funken glitzerten unter seiner rauen Oberfläche wie eingeschlossene Sterne. Sie konnte noch immer die unerklärliche Wärme spüren, die von ihm abstrahlte. „Wie ist das möglich?“, murmelte sie.
„Wie geht es deinen Verletzungen?“, fragte Joesin und schreckte sie aus ihren Gedanken.
Moa hielt den Staubdiamanten hoch. „Wirst du mir das erklären?“
Joesin kniff die Augen zusammen und richtete den Blick auf die Flamme. „Du brauchst nicht noch mehr Alpträume“, sagte er.
Moa betrachtete seine Gestalt im Schein des Feuers. Zögernd ließ sie den Diamanten zurück auf ihre Brust sinken. Nach einer Weile legte sie sich zurück aufs Lager. „Was weißt du von meinen Träumen?“, fragte sie zweifelnd und zog die Decke über ihre Schulter.
„Schlaf“, sagte Joesin und es klang wie ein Seufzen. „Schlaf weiter.“
Kapitel 10
Moa erwachte mit dem unbestimmten Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Das Feuer war heruntergebrannt, durch das schmutzige Fenster neben der Tür schien ein schwacher Lichtschimmer. Dämmerung.
Joesin war nirgends zu sehen. Moa horchte angestrengt. Es hatte aufgehört zu regnen. Überhaupt war es sehr still geworden. Von einer inneren Unruhe getrieben streifte sie rasch ihre Stiefel über und schlich zur Tür. Mit einem Knarren schwang sie auf.
Die Wolken hingen bis in die Tannen hinein und vermischten sich mit dem Nebel, der träge aus dem Boden sickerte. Alle Geräusche wirkten gedämpft, als kämen sie von weit her. Moa kam sich vor wie auf einer einsamen Insel. Sie fühlte sich seltsam entrückt, als existiere sie außerhalb der Zeit.
„Joesin“, rief sie in den Nebel hinein. In nächsten Moment entdeckte sie seine Gestalt wenige Meter vor der Hütte. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte angestrengt in den Himmel, als könne er tatsächlich durch die dicke Wolkenschicht sehen.
„Moa!“ Er fuhr zu ihr herum.
Sie erschrak bei seinem alarmierten Tonfall. „Was tust du hier draußen?“
Joesin warf einen letzten Blick in die undurchdringlichen Wolken, eine steile Falte entstand zwischen seinen Augenbrauen. „Rach wird bald hier sein“, sagte er und kam zu ihr hinüber.
Moa betrachtete ihn genauer. Den Arm hielt er noch immer angewinkelt, nahe am Körper. Er sah zwar nicht im Geringsten erschöpft aus, doch seine angespannte Haltung machte sie nervös. „Was stimmt nicht?“
Joesin zögerte. „Du trägst den Stein?“
Moa tastete nach der Kette, die sie unter ihr Kleid gesteckt hatte. „Ja, aber warum ...?“
Joesin legte einen Finger über seine Lippen. „Halte ihn gut verborgen und zeige ihn niemandem.“ Sein Gesicht wirkte in diesem seltsamen Nebel noch blasser, fast durchscheinend. Dabei sah er sie so eindringlich an, dass Moa das Gefühl hatte, er blicke direkt in ihre Seele.
Mit einem Mal hob Joesin eine Hand an ihre Wange. Seine Fingerknöchel streiften ihre Haut. „Versprich es mir“, flüsterte er.
Moa sah in seine grünen Augen und versuchte darin zu lesen. Die silbernen Splitter um die Iris leuchteten im Nebel. Krampfhaft nickte sie.
„Gut.“ Joesin lächelt, trat einen Schritt zurück und warf einen prüfenden Blick in den Himmel. „Diese verdammten Wolken“, fluchte er. „Es wäre sicherer, wenn die Sonne noch - “
Abrupt verstummt er. Sein Kopf ruckte zur Seite.
Moa folgte seinem Blick. „Was hast du?“
Sie bemerkte sie im selben Moment wie Joesin: Bewegliche Schatten zwischen den Baumstämmen, eine wabernde Verzweiflung, die an Form gewann, und der Geruch von verbranntem Fleisch.
„Bei den Klippen!“ Innerhalb eines Wimpernschlags brachte Joesin seinen Körper zwischen Moa und die wirbelnden Schatten im Wald. „Geh zurück in die Hütte“, zischte er. „Sofort.“
Moa stolperte rückwärts und stieß mit dem Rücken an die Hüttenwand. Zu ihrem Entsetzen zog Joesin sein Schwert.
„Aschewesen!“, knurrte er. „Sie müssen mein Blut gerochen haben.“ Seine Körperhaltung war angespannt, sein Blick starr auf die Tannen gerichtet.
Schatten aus Ruß waberten zischend und brodelnd zwischen den Stämmen umher. Doch die Aschewesen griffen nicht an. Sie lauerten. Der Geruch von verfaulten Körpern ließ Übelkeit in Moa aufsteigen.
Der Wind frischte auf und trug ein kehliges Lachen über die Lichtung. Es war nicht die heisere, entzerrte Stimme eines Aschewesens, obwohl es ebenso falsch und unnatürlich klang. Die Stimme war menschlich.
Zwischen dem Dunkel der Bäume blitzte
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