Der Fluch des Lono (German Edition)
aus. Sie weinen, sie lügen, sie singen zur Radiomusik mit oder zeigen mir ihre Titten; und viele von ihnen schwören, sich in mich verliebt zu haben, noch bevor wir auf dem Kona-Surf-Parkplatz angekommen sind.
Dorthin nehme ich sie alle mit, egal, was sie sagen oder wohin sie wollen. Ich fahre mit ihnen ganz bis zum Ende des Alii Drive und hinunter zur verwunschenen kleinen Bucht, und währenddessen biete ich ihnen immer wieder heißen Gin aus einer rosa Halbliterflasche ohne Verschluss an, die auf dem Sitz zwischen meinen Beinen klemmt.
Die meisten von ihnen sagen, sie würden so gut wie alles tun, solange sie nicht mit einem glatzköpfigen 100-Kilo-Irren im offenen Auto um zwölf Uhr mittags auf dem Alii Drive oder dem Kona-Surf-Parkplatz Gin trinken müssten. Dort werfe ich sie nämlich immer aus dem Auto. Bis auf diejenigen, die Gin trinken …
OK
HST
EIN HUND AN MEINER STELLE
10. Juni 1981
Kona
Lieber Ralph,
okay … jetzt ist wirklich alles anders. Es hat ein bisschen länger gedauert, aber ich glaube, die Kona-Nuss ist endlich geknackt. Ungefähr sechs Stunden nachdem ich die letzte Fassung der Fahrt auf der Saddle Road zu Ende gebracht hatte, saß ich auf dem Fighting Chair eines Boots mit Namen Humdinger und wurde in einen verbissenen Kampf mit einem riesigen Fisch verwickelt – und 17 Minuten später konnte ich mit der großen samoanischen Kriegskeule ausholen und seinen Kopf mit einem wüsten Schlag zerschmettern.
Niemand behandelt mich mehr von oben herab, Ralph. Ich darf jetzt mit den Fischern trinken. Mit den Profis. Zum Sonnenuntergang versammeln wir uns im Huggo’s, um Anglerlatein zu erzählen, Slammer zu trinken und wilde Piratenlieder zu singen. Ich bin jetzt einer von ihnen. Am Abend, als wir den großen Fisch gefangen hatten, wurde ich zu später Stunde im Huggo’s »trockengelegt«,
und gestern Abend habe ich mir im Kona Inn Lokalverbot eingehandelt, weil ich dem Besitzer aus völlig unerfindlichem Grund einen Tritt in die Eier versetzt hatte. Nachdem er uns zum Abendessen eingeladen und die Zeche von 276 Dollar übernommen hatte, waren seine letzten Worte: »Warum hast du mir das angetan?« Dann verdrehte er die Augen und sank mit einem entsetzlichen Klagelaut auf die schwarze Steinstufe vor seinem Laden, wo er anderthalb Stunden blieb und zu niemandem ein Wort sagte.
Das erfuhr ich heute, als ich anrief, um mich zu erkundigen, ob er die Rosen erhalten hatte, die ich ihm als Entschuldigung hatte schicken lassen … Ja, so schlimm war es tatsächlich. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einem Mann ein Dutzend Rosen geschickt habe.
Die Jungs im Huggo’s waren schwer begeistert, als sie die Geschichte hörten. Sie lachten sich scheckig, schlugen mir von allen Seiten auf die Schultern und hoben sogar die »Trockenlegung« auf. Sie hatten eine alte Fehde mit Mardian – dem Mann, dem ich in die Eier getreten hatte –, denn er war, kaum dass er das Kona Inn gekauft hatte, ins Huggo’s marschiert, wo üblicherweise die Fischer trinken, und hatte posaunt, er würde den Laden innerhalb von sechs Monaten in die Pleite schicken, und wem das nicht passe, der könne mit seinem Schwarzgurt Bekanntschaft schließen.
Er meint es wirklich ernst mit seinen Karatekünsten, und vermutlich wird er mir den Kopf vom Körper treten, wenn ich nächstes Mal auf einen Drink vorbeikomme … Aber ich liebe diese köstlichen Margaritas bei Sonnenuntergang,
Ralph, und das Kona Inn ist der einzige Laden in der Stadt, in dem ich mit meinen Schecks bezahlen kann und Wechselgeld in bar zurückbekomme.
So weit dazu. Ich denke, es wird Zeit, von hier zu verschwinden. Aber vorher will ich Dir noch eine Fischgeschichte erzählen. Der Arbeitstitel lautet »Wie man auf Hochsee große Marlins fängt«, aber es könnte sein, dass ich einen anderen Titel vorziehe, bevor wir in Druck gehen.
Die Geschichte ist irre, Ralph. Sie war von Anfang an irre, aber sie wird von Tag zu Tag irrer und irrer. Die Leute hier verstehen nicht, warum ich noch immer hier bin. Genauso wenig, wie ich es verstehe – obgleich es eigentlich ganz erfolgversprechend anfing. Trotz der brutal hohen Ausgaben.
Und sind sie wirklich brutal. Wenn das Buch kein Bestseller wird, muss ich mir wohl hier draußen einen Job als Charterbootkapitän suchen oder als Immobilienmakler. Am besten gleich als beides. Dann hätte ich in jedem Fall ein gesichertes Auskommen – wenn auch nicht wirklich und ganz bestimmt
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