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Der Fluch des Lono (German Edition)

Der Fluch des Lono (German Edition)

Titel: Der Fluch des Lono (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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wieder aufs Fischen verlegen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wenn sich die Lage nicht schnell ändert. Der Haussemarkt der frühen Siebziger ist inzwischen ebenso zu einer hawaiianischen Legende geworden wie die Hybris des Captain Cook.

RASEREI AUF DER SADDLE ROAD

    Als Ackerman aus Honolulu zurückkam, beschlossen wir, eine Zeit lang kürzerzutreten. Sogar unsere Fischerfreun de im Huggo’s machte es langsam nervös, dass ich drei Wochen nach Ralphs Abreise immer noch dort herumhing. Die Gerüchte, die vom Maklerverband durchsickerten  – oder besser gesagt, dort aufgebracht wurden  –, machten langsam die Runde. Dass der kritische Punkt gekommen war, merkte ich, als sogar die Barkeeper im Kona Inn jedes Mal eine Bemerkung fallen ließen, wenn ich zur Tür hereinkam: »Ich dachte, Sie wären schon letzte Woche abgereist« oder »Was für eine Story schreiben Sie denn nun wirklich ?«.
    »Immer mit der Ruhe«, pflegte ich zu sagen, »das wird sich noch früh genug zeigen.« In jenen Tagen verbrachte ich so gut wie jeden Nachmittag am hinteren Ende des Tresens im Kona Inn, um die Zeitungen zu lesen und kalte Margaritas zu trinken. Dabei behielt ich die Waagen auf der anderen Seite der Bucht stets im Blick  – für den Fall, dass sich eine Menschenmenge versammelte, was gewöhnlich auf das Einbringen eines Riesenfischs hindeutete.
    Von meinem Ausguckposten am Ende der Bar, wo sich die großen hölzernen Ventilatoren gemächlich über meinem Kopf drehten, überblickte ich den Hafen und das gesamte Ufer. Hier konnte ich mich entspannen und in aller Ruhe die Zeitungen lesen  – die Hula-Klasse im Auge, die auf dem Rasen ihre Tanzschritte übte, die hohen Kokospalmen am Uferdamm, die großen Segelboote draußen in der Bucht sowie die stetig an mir vorbeiziehende Parade bizarrster Exemplare aus dem Menschenzoo.
    Wir wurden immer mehr zu Machos. Daran gab es nichts zu deuteln. Und an Abhilfe war auch nicht zu denken. Wir lebten mit diesen Leuten, hatten rund um die Uhr mit ihnen zu tun, und zwar in ihrem ureigenen Revier  – also gewöhnlich draußen auf See, auf ihren Booten, bereits zur Mittagszeit böse betrunken und nie ganz entspannt in Gegenwart dieser schmallippigen Scheißseefahrer mit all ihrem maritimen Wissen, waren ständig jemandem im Weg, während das gottverdammte Boot schlingernd durchs Wasser pflügte …
    An manchen Stellen in Sichtweite der Kona-Küste ist das Meer 12 000 Meter tief. Acht Meilen steil abwärts, als fiele man von einer Klippe. Ein Körper würde ganz schön lange brauchen, um acht Meilen tief auf den Grund des Ozeans zu sinken. Es ist dunkel dort unten, absolut stockdunkel.
    Nicht einmal Haie schwimmen so tief runter. Sie werden dich wahrscheinlich auf dem Weg nach unten schnappen, irgendwo im dunstigen Blau in 100 Meter Tiefe, wo das Licht allmählich schwindet. Wenn man in einem Boot von der Größe eines Pick-ups auf 12 000 Meter tiefem
blauen Wasser dümpelt, sollte man sich tunlichst mit niemandem anlegen, am allerwenigsten mit dem Captain des Boots. Aber auch mit dem Deckhelfer nicht. Eigentlich mit niemandem.
    So sind die Regeln. Man hat zu tun, was sie sagen, auch wenn es einem noch so wenig einleuchtet. Selbst wenn der Captain sich um neun Uhr morgens mit einer Flasche Wild Turkey unter Deck auf dem Klo einschließt, das Boot eine Dreiviertelstunde im Kreis fährt und der Deckhelfer besinnungslos im Fighting Chair hängt, die Augen so wild verdreht, dass sie aussehen wie weiße Murmeln.
    Sogar in solchen Situationen ist es riskant, Fragen zu stellen. Diese Jungs sind professionelle Fischer, Skipper, Captains mit Lizenz, und sie nehmen sich selbst verdammt ernst. Wörter wie »Macho« und »Faschist« bekommen eine ganze andere Bedeutung, sobald kein Land mehr in Sicht ist. Nichts macht einen Mann schneller zum Nazi als die Aufgabe, eine Horde dumpfbackiger Fremder auf seinem Boot hinaus auf See zu bringen, egal, wie viel sie dafür löhnen. Für diese Charterbootkapitäne ist es fast schon die Regel, dass »die Kunden« draußen auf See beim ersten Problem in Panik geraten und alles falsch machen. Also werden sie zu Tyrannen, denn eine Haftpflichtdeckung für Unglücksfälle auf See wird ihnen kaum mehr gewährt, wenn ihnen bereits diverse Kunden in acht Meilen tiefem Wasser über Bord gegangen sind.
    »Keiner von euch Säcken würde in der Karibik je einen Job kriegen«, erklärte ich eines Abends einer Gruppe Profifischern, die mit mir auf der

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