Der Fluch des Lono (German Edition)
nicht für lange.
Die Fischerei könnte ich vielleicht in den Griff kriegen, aber der Immobilienmarkt in Kona liegt in diesen Tagen so danieder, dass ich zu Weihnachten bankrott wäre, selbst wenn mir sämtliche Gebäude am Alii Drive gehörten. Die gesamte Küste steht zum Verkauf an den Höchstbietenden – oder eigentlich auch schon an denjenigen, der überhaupt was bietet. Die Leute kaufen für zehn Cent, was früher einen Dollar gekostet hat. Es gibt 600 Immobilienmakler in Kona, und insgesamt haben sie nur fünfzig (50) rechtsgültige Kaufverträge
abgeschlossen, seit du Anfang Januar hier abgereist bist, also vor einem halben Jahr.
Einen boomenden Markt würde ich das nicht gerade nennen.
Aber für uns ist es ein gefundenes Fressen, Ralph. Die Sünden, die hier in der Vergangenheit gemacht wurden, rächen sich bereits, und jeden Tag kommen neue ans Licht. Wenn wir bis zum Labor Day ordentlich Knete zusammenkriegen, können wir den ganzen Laden hier aufkaufen und nach eigenem Gutdünken Recht sprechen.
So weit, so gut. Es ist Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen. In Immobilien investieren können wir jederzeit, Ralph. Und die Schuldigen bestrafen können wir auch später noch … Aber jetzt sollte ich Dir erst einmal erzählen, was geschah, als ich endlich einen Fisch fing.
Es war, wie Du weißt, mein erster. Und er kam mir zu einem ungünstigen Zeitpunkt vor den Haken. Ich wollte gerade abreisen. Wir hatten eine Acht- Uhr-Maschine nach Honolulu gebucht, anschließend einen Nachtflug nach L. A. und Colorado. Ich hatte endgültig die Nase voll von diesen bescheuerten Fischertypen. Ihre Lügen hatten uns nur Geld gekostet, und ich hatte den Rest an guter Laune verloren.
Da beschloss ich, ein paar letzte Worte mit den Verbleibenden von Team 200 zu wechseln: ein Geschäftstreffen sozusagen, Punkt zehn Uhr im Yacht Club – nur ein paar kritische Fragen, die Antworten auf Band, und dann am nächsten Tag raus aus der Stadt.
Aber der Plan schlug fehl, und schuld daran war der Alkohol. Um Mitternacht war ich jedenfalls so mies drauf, dass ich – aus einem unstrittig perversen Grund – beschloss, loszuziehen und noch einmal auf Marlinjagd zu gehen. Es würde mein letzter Tag in Kona sein, und die Maschine flog erst um acht. Warum also nicht?
Dann löste sich ein Eingeborener aus der Menge, folgte ihm mit einer Keule, wich wieder ein Stück zurück, aus Angst, Cook könne sich umdrehen und ihn entdecken, näherte sich erneut, holte mit der Keule aus und verpasste ihm einen zögerlichen Schlag. Cook taumelte ein paar Yards, stürzte dann auf Hände und Knie, während seine Muskete neben ihm auf einen Stein klapperte.
Auch wenn der Kapitän durch diesen Schlag ganz offensichtlich nicht getötet wurde, so war er doch außer Gefecht gesetzt. Den Mord beging ein weiterer Eingeborener. Dieser wurde von verschiedenen Umstehenden wiedererkannt. Der muskulöse Häuptling Ku’a sprang zu der zusammengekauerten Gestalt, hob sein Pahoa und hieb es in Cooks Nacken. Zäh und robust bis zum Ende überlebte Cook auch diesen Schlag. Doch stürzte er durch die Wucht des Hiebes in eine Felsvertiefung, in der die Flut einen Wassertümpel hinterlassen hatte. Ku’a sprang erneut zu ihm und stach mehrfach auf ihn ein, während andere Eingeborene dem Mörder zu Hilfe eilten und versuchten, Cooks Kopf unter Wasser zu drücken. In einer letzten Geste des Aufbegehrens hob Cook den Kopf. Die Besatzung der Pinasse erblickte für einen kurzen Moment deutlich sein großes, zerfurchtes Gesicht. Seine Lippen formten einen unhörbaren Schrei, und er winkte mit einem Arm kraftlos in ihre Richtung. Dann versuchte er, sich hochzustemmen, woraufhin man ihm einen neuerlichen Schlag mit der Keule verpasste. Und dann war alles vorüber – alles, bis auf die schrecklichen Verstümmelungen, die sie ihm zufügten.
Henry Roberts aus Shoreham, Sussex, der Maat des Kommandeurs, war unter denen, die das Geschehen ohnmächtig aus der Pinasse mitverfolgten; und der Anblick würde sie bis an ihr Lebensende heimsuchen. Die Eingeborenen fielen über den Leichnam her wie Wölfe über einen Elch, stachen auf ihn ein, entrissen sich gegenseitig die Pahoas , um immer wieder zuzustoßen, durchbohrten ihn mit Speeren, hieben mit Steinbrocken und Keulen auf ihn ein. Irgendwann hoben einige von ihnen seinen Körper aus dem Tümpel und schlugen seinen Schädel wiederholt gegen das raue Felsgestein.
RICHARD HOUGH
The Last Voyage of Captain
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