Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
Vom Netzwerk:
ständigen Außenpostens der Camrisclans über den von festgetrampeltem Schnee bedeckten Boden. Im schwindenden Licht des Tages gingen die Nachfahren des Adels von Tysan ihren abendlichen Tätigkeiten nach, wie sie es stets während der fünf Jahrhunderte des Exils getan hatten. Das Licht ihrer Öllampen fiel auf ihre Kleidung aus Leder und Fellen, wie sie für die Kundschafter in der Wildnis typisch war. Als Bewohner eines Kriegslagers oder einer Siedlung, die schon zu lang belagert wurde, war jeder von ihnen bewaffnet, auch die wenigen Frauen. Lysaer vermochte nicht zu sagen, ob in diesen Behausungen auch Familien lebten, denn obgleich er seine Untertanen ungesehen durch das Fenster beobachten konnte, entdeckte er weit und breit keine Kinder.
    Die Rufe zweier Jäger, die einen erlegten Hirsch hinter sich herzerrten, erschollen im Lager. Eine Frau rief eine spöttische Entgegnung. Gelächter brandete auf und löste sich in Hänseleien, die nicht einmal vor ihrer Weiblichkeit haltmachten. Lysaer stützte den Kopf auf seine Hände. Er hatte sich nicht erholt. Alpträume hatten ihn im Schlaf verfolgt, und der kräftige Duft nach Sandelholz und exotischen Kräutern verursachte ihm leichte Übelkeit. Auch das edle Mobiliar vermittelte ihm kein Gefühl des Wohlbehagens, zu unangebracht erschienen ihm die goldverzierten Truhen und die reichgemusterten Teppiche in diesem so trostlosen Gebirgslager.
    »Wir geben Euch das Königsgemach«, hatte Maenalle gesagt, und ihr Ton hatte keinen Widerspruch geduldet. Sodann hatte sie die Tür zu einem Raum geöffnet, in dem eine Atmosphäre herrschte, die an einen liebevoll gepflegten Schrein erinnerte. Der Diener, der das Wasser für das königliche Bad brachte, erklärte ihm, daß jedes Clanlager in Tysan über ein ähnliches Quartier verfügte, das zu jeder Zeit für den Tag der Rückkehr ihres rechtmäßigen Herrschers bereitgehalten wurde. Sich selbst überlassen und keineswegs daran gewöhnt, hofiert zu werden wie eine zum Leben erweckte Legende, verspürte er das Bedürfnis, mit Asandir zu sprechen.
    Doch während er als anerkannter Nachfahre des Königs energisch zu Stärkung und Ruhe gedrängt worden war, hatte sich der Zauberer gemeinsam mit den Clanführern zurückgezogen. Wo Arithon sich befand, vermochte Lysaer nicht zu sagen. Dakar hingegen dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach bereits im nächsten Bierfaß Vergessen gesucht haben. Verstört rieb sich Lysaer mit klammen Fingern über das Gesicht. Er fühlte sich verloren in einem Land, in dem zivilisierte Händler darauf aus waren, königliche Kehlen aufzuschlitzen, barbarische Straßenräuber aber ihren Prinzen mit offenen Armen willkommen hießen.
    »Euer Hoheit?« sagte eine jungenhafte Stimme von der Tür aus. Erschrocken wirbelte Lysaer herum und sah den Pagen, der außerhalb des Lichtkegels der Kerzen auf dem Boden kauerte.
    »Ich bin Maenalles Enkelsohn, Maenol s’Gannley, Euer Hoheit.« Der Knabe, kaum elf Jahre alt und in eine zu große Livree gehüllt, das weit über seine lederne Hose fiel, verbeugte sich mit einem Selbstvertrauen, um das ihn ein jeder ältere Höfling beneidet hätte. »Ich wurde geschickt, Euch beim Ankleiden behilflich zu sein.«
    Unfähig, ein Kind mit seinen düsteren Gedanken zu belasten, besann sich Lysaer auf seine freundlichen Manieren, die ihn bei den Pagen in Amroth so beliebt gemacht hatten. »Was hast du mir gebracht, mein guter Maenol?«
    Der Knabe grinste, wobei ein abgebrochener Vorderzahn zum Vorschein kam. »Man nennt mich Maien, was in der alten Sprache Maus bedeutet, Euer Hoheit.« Sein Grinsen wurde noch breiter, und seine Schultern unter der festlichen Schleppe richteten sich voller Stolz auf. »Was sonst könnte ich Euch bringen, wenn nicht Eure Strumpfhosen, Euren Rock und Eure Waffen?«
    Der Knabe trat an einen Stuhl neben einer Truhe heran, auf denen die königlichen Kleider ordentlich ausgebreitet lagen. Das Schwert in der saphirbesetzten Scheide war aus vergoldetem Stahl, das Heft mit blauen Seidentroddeln verziert. Auf ihre Art war diese Klinge nicht minder verehrungswürdig als Alithiel.
    »Daeltiri«, erklärte Maien, als er den bewundernden Blick des Prinzen bemerkte. »Das Schwert der Könige von Tysan. Als die Stadt Avenor geschändet wurde, erhielt jeder Clanführer einen Teil der königlichen Amtsinsignien zur sicheren Verwahrung. Bis zum heutigen Tage haben die Herzöge von Camris getreu über Euer Schwert gewacht.« Der Knabe durchquerte den Raum. Ungeduld

Weitere Kostenlose Bücher