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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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lag in der Bewegung, mit der er sein braunes Haar zurückwarf. »Sputet Euch, Euer Hoheit. Das Bankett in der großen Halle kann erst beginnen, wenn Ihr bereit seid.«
    Lysaer schlüpfte in die Seidenhose, das Batisthemd und den reichbestickten Rock, wobei er eine beinahe beschämende Erleichterung empfand. Bis er gezwungen wurde, sich in Verzicht zu üben, war ihm die Bequemlichkeit edler Kleider nie zu Bewußtsein gekommen. Beschämt über die Erkenntnis, daß er den Thron, den ihm diese Clans boten, wenigstens ebenso verzweifelt ersehnte, wie dieses zersplitterte Reich einen anständigen Regenten brauchte, schnürte er seine Kleider mit goldgefaßten Bändern, schloß Perlmuttknöpfe und bemühte sich, nicht daran zu denken, daß all dieser Luxus unehrenhaft erworben sein mochte. Als Maien ihm schließlich Daeltiri am Gürtel befestigte und ihm den passenden Dolch reichte, fühlte sich Lysaer, Prinz von Tysan, zum ersten Mal seit seiner Verbannung durch das Weltentor wieder wie ein ganzer Mann.
    Er weigerte sich, am Lebensstil der Untergebenen dieses Reiches zu zweifeln, wollte er sie doch erst besser kennenlernen. Bei nüchterner Betrachtung mochte er wohl herausfinden, daß die Unterschiede zwischen Atheras wilden Clansmitgliedern und der kultivierteren Gesellschaft am Hofe Amroths weiter nichts als die Folge unterschiedlicher Voraussetzungen waren. Er war nicht länger der verhätschelte Prinz, der unglückseligerweise durch das Weltentor gestoßen worden war. Eine Kehrtwendung seines Gewissens brachte ihn zu der Frage, welches die bessere Person für eine gerechte Regentschaft war: der verzärtelte, idealistische königliche Erbe, der er vor seiner Verbannung gewesen war, oder der selbstgenügsame Mann, der dennoch eine Krone brauchte, um sich selbst als vollständig zu empfinden.
    Draußen war es empfindlich kalt geworden. Frierend in den zarten Kleidern folgte Lysaer Maiens Führung durch das Lager und mitten durch die Gruppe geschäftiger Sippenangehöriger, die sich in Pelze gehüllt und mit Bogen und Speeren bewaffnet, auf einen nächtlichen Patrouillengang vorbereiteten. Vom Wetter und von Narben zerfurchte Gesichter begannen beim Anblick ihres Prinzen zu strahlen. Die Männer und die zwei Frauen grüßten den Prinzen mit einer knappen Geste, während sie ihre Waffen aufnahmen, ehe sie leise in der zunehmenden Dunkelheit über dem Gebirge verschwanden.
    »Wohin gehen sie?« fragte Lysaer.
    Maien bedachte den Prinzen mit einem schiefen Blick. »Hinaus auf den Paß, zur Nachtwache, Euer Hoheit.«
    »Und um Wagenzüge zu überfallen?« Fast hätte der Prinz die Verachtung durchblicken lassen, die er angesichts solch räuberischer Handlungen empfand.
    »Teilweise«, entgegnete der Enkel der Dienerin Tysans erstaunlich unerschrocken. »Aber sie bewachen auch unser Lager.«
    Die beiden überquerten den blutgetränkten Schnee an der Stelle, an der erst kurz zuvor der erlegte Hirsch geschlachtet worden war. Eine bewaffnete Frau, die eine Schultertrage mit Kübeln zu den Pferdegattern trug, lächelte den Prinzen freudig an. Hinter dem zurückgeschlagenen Eingang zu einem Zelt pfiff ein Mann eine Melodie, während er seine Klinge an einem Wetzstein schärfte. Maien führte den Prinzen über einen ausgetretenen Pfad, an den letzten Hütten vorbei, zu einem von steilen Felsen umgebenen Engpaß. Am Ende dieses Weges befand sich ein schattiger Bogengang, der direkt in den Berg gestemmt worden war. Die Tore zu dem Bogengang waren stahlbewehrt. Steinerne Wachhäuschen zu beiden Seiten verliehen dem Eingang die Uneinnehmbarkeit eines Festungstores. Sollte es an diesem Ort jemals einen Kampf gegeben haben, so waren die Spuren gewissenhaft beseitigt worden. Vier in Felle gehüllte Posten standen Wache, und die lederumwickelten Griffe ihrer Speere waren vom vielen Gebrauch abgenutzt. Als ihr Gebieter sich näherte, erhoben sie ihre Waffen zu einem bescheidenen Salut. Maien sprach vor einer Nische ein Losungswort, und Lysaer hörte, wie sich eine Winde in Bewegung setzte. Gleich darauf drang das traurige Rasseln einer Kette an seine Ohren, und das große Tor schwang kreischend auf. Asandir kam ihnen in der entstehenden Öffnung entgegen. »Gut, Ihr seid also fertig.« Er bedachte den jungen Begleiter des Prinzen mit einem Lächeln, und Maien lief voraus, um Lysaers Ankunft zu verkünden, während der Zauberer den Prinzen aus der Kälte in das von Fackeln beleuchtete Gewölbe einer Vorhalle führte. Wände und Boden waren aus

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