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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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grob behauenem Stein, der die Worte des Zauberers in vielen Echos zurückwarf. »Maenalle erwartet Euch.«
    Während das Wehrtor lärmend geschlossen wurde, erklärte Lysaer: »Ihr hättet mich warnen können.«
    »Dasselbe hätte ich für Grithens Leute tun können«, entgegnete Asandir. »Ich habe mich jedoch anders entschieden.«
    Widerstrebend und wenig überzeugt, zügelte Lysaer seinen Ärger nur mäßig. »Ist dies ein Königreich, das die Gesetzlosigkeit fördert?«
    Asandir betrachtete den Prinzen aus schiefergrauen Augen. »Dieses Land leidet unter Mißwirtschaft, Habsucht und gewaltfördernden Mißverständnissen. Die Clans rauben Wagenzüge aus, um ihre bloße Existenz zu schützen, und die Stadtregenten bezahlen Kopfgeldjäger, um die Clans auszulöschen und damit ihre Anschläge zu beenden. Es ist nicht Eure Aufgabe zu urteilen, sondern Recht zu sprechen. Euer königliche Hoheit, Gerechtigkeit muß von Mitgefühl bestimmt sein, wenn Ihr dieses Reich wieder einen wollt. Ich habe Euch nicht gewarnt, weil Worte die Erfahrung nicht zu ersetzen vermögen.«
    Das schwere Tor schloß sich und hinterließ eine drückende Stille.
    Asandir deutete auf einen zweiten Bogengang, aus dem Licht und Wärme in die Vorhalle drang. »Geht hinein«, drängte er, während drinnen der von Maenalle ernannte Bote die Nachricht der Anwesenheit des königlichen Sprosses verkündete. »Für diese Menschen seid Ihr die lebendige Verkörperungen ihrer Hoffnungen. Hört, welche Not sie erlitten haben, und versteht, welche Opfer sie bringen mußten, um ihre Existenz und ihr Erbe zu schützen.« Lysaer drückte den Rücken unter dem reichbestickten Rock durch. Was Asandir von ihm erwartete, war weit mehr als nur Toleranz, und er durfte nicht weniger als sein Bestes geben.
    »Ihr seid mit den Gaben Eurer Ahnen begütert«, versicherte ihm Asandir, während sie Seite an Seite einen Raum betraten, der seit dem Nachmittag großen Veränderungen ausgesetzt worden war. »Wenn die Sieben Euch nicht für befähigt halten würden, dann würdet Ihr niemals als ein möglicher zukünftiger Herrscher vor diesen Clans stehen.« Über den kahlen Felswänden jenseits der Schwelle hingen meisterhaft gewebte, farbenfrohe Wandteppiche, auf denen eine königliche Prozession zur Feier des Frühlingsanfangs dargestellt war. Verzückt starrte Lysaer sie an. Für einen kurzen Zeitraum schien es, als habe sich ein Fenster in eine weit zurückliegende Zeit geöffnet, eine Zeit, in der die Paravianer noch in einem blühenden Gebirge gehaust hatten, das unberührt von dem Übel des Desh-Thiere war. Hier lag in einem Glorienschein die feurige Majestät der Zentauren, fanden sich blumengeschmückt und elfenhaft tanzend die zierlichen Sonnenkinder, zeigte sich die Grazie schneeweißer Einhörner wie die Mystik des Mondlichtes, das sich auf einer Wasseroberfläche spiegelte. Verzaubert und in seinen Gefühlen gefangen, blinzelte Lysaer, und der Zauber erlosch. Das Gewebe an den Wänden war nurmehr gewöhnlicher Stoff, der mit ungewöhnlicher Kunstfertigkeit gewoben worden war. Ein wenig benommen von dem verwirrenden Erlebnis schüttelte Lysaer seine Gänsehaut ab und folgte Asandir und Maien über die gemusterten Teppiche aus dem fernen Narms. Fackeln hatten Kerzenhaltern weichen müssen, und der rauchfreie Lichtschein der Wachskerzen fiel auf die Clanangehörigen des westlichen Außenposten, Nachkommen des Adels von Camris.
    Erstaunt stellte Lysaer fest, daß die Menschen tatsächlich aristokratisch aussahen. Ohne ihre Waffen und Felle, gekleidet in Samt, gefärbtes Wildleder und juwelenbesetzten Brokat, konnte man beinahe übersehen, daß die meisten Frauen Narben vom Schwertkampf trugen oder daß die schlanken Arme der Menschen sehnig vom täglichen Überlebenskampf geworden waren.
    Maenalle erwartete sie am Kopf einer Delegation der Clanführer. Sie hatte ihre schlichte, schwarze, mit Silberfäden verzierte Amtstracht angelegt und trug nur ein Rangabzeichen, um ihre Stellung zu unterstreichen. »Farben werden in Anwesenheit der Könige nicht getragen«, erklärte sie Lysaer, als dieser ihr galant mitteilte, daß ihr auch ein farbenfroheres Gewand gut stehen würde. »Aus Tradition tragen die Diener des Reiches Schwarz, denn die wahre Macht der Herrschaft gebührt allein der Krone. Vor der Rebellion wurde mein Amt auch Caithdein genannt, was soviel bedeutet wie: Schatten hinter dem Thron.« Ihre feurigen Augen in dem vom Leben unter freiem Himmel viel zu

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