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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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nach. »Ich habe nun den Beweis, daß es Euch mit Eurem Versprechen, ich könne frei entscheiden, ernst war.« Grüne Augen wandten sich ihm zu, doch Asandir konnte ihrem Blick nicht länger begegnen. Wenn er auch in einem wachsameren Augenblick alarmiert reagiert hätte, so fuhr Arithon nun doch ganz gelassen fort: »Ich habe mein Recht zur Selbstzerstörung eingefordert und fand eine offene Tür.« Für einen Moment schwieg er, sah zu Boden und öffnete seine Hände. »Ich hoffe, Ihr werdet mir mein streitsüchtiges Verhalten vergeben. Wie Ihr seht, bin ich durchaus eines Besseren fähig.«
    Asandir wäre beinahe zusammengezuckt, erinnerten ihn die Worte des Herrn der Schatten doch an einen anderen s’Ffalenn, der einst in einer ähnlich unhaltbaren Situation gesteckt hatte. Und in diesem Augenblick, in dem die Erinnerung und das Mitgefühl ihm die Sprache raubten, erhielt Asandir durch sein feines Einfühlungsvermögen Anteil an der offenherzigen Nähe einer Freundschaft.
    Diese Öffnung war für einen Mann, der Gesellschaft nicht gewohnt war, schon erstaunlich genug: Ein einsamer Knabe, aufgewachsen in Gesellschaft älterer Magier, die ihm lediglich aus der Distanz Liebe zu geben vermochten. Er mußte ohne die Zuneigung einer Mutter aufwachsen, doch seine ererbte Gabe der Barmherzigkeit ließ keinen Groll in ihm aufkommen. Bereitwillig vergab er, was er nicht verstehen konnte, und suchte seine Freude in seinen Befähigungen. Das Lob für seine Taten schützte ihn davor zu entdecken, wie tiefgreifend seine Isolation war, ein Irrweg, für den er noch heute bezahlen mußte.
    Ein wahrer Freund, eine sorgende Liebe, konnte all den Schmerz der Jugend von den Schultern des erwachsenen Mannes nehmen. Diese Lektion konnte ein Mann durch Fürsorge und Freude lernen, die Arithon instinktiv in der Musik suchte, die er ebenfalls zur Vollendung bringen würde – stünden ihm nicht Desh-Thiere und die Krone im Wege.
    Asandir verbarg seinen Kummer. Seine eigene Rolle gestattete keine Gnade. So sehr hatte sich der Herr der Schatten geöffnet, doch gemeinsam mit seinem Vertrauen wuchs die Angst, verwundet zu werden. Asandir war nahe daran, vor dem Geist Arithons zurückzuschrecken, als ein anderes Bild sein Bewußtsein rührte: Das Gesicht eines jungen Mädchens, schüchtern, mit einem Lächeln auf den Lippen, Augen wie Aventurin und aschbraunes, zu Zöpfen geflochtenes Haar. Arithon hatte sie küssen wollen, doch Frauen verwirrten ihn; während sie durch die Berge gewandert waren und Kräuter gesammelt hatten, hatten sie über Musik und Poesie gesprochen, dann schließlich über intimere Dinge. Und, während sie in seinen Armen gelegen hatte, hatte sie zitternd gestanden, daß Magie und die Gabe der Macht über die Schatten, die zu beherrschen er so lange hatte lernen müssen, sie ängstigten. Er hatte sie gehen lassen, wußte er doch nichts darauf zu sagen.
    Der Name des Mädchens war Tennia gewesen, das wußte Asandir schon aus den verworrenen Erinnerungen, die er durchdrungen hatte, als er den Fluch von Mearth hatte brechen müssen. Die Ereignisse waren nicht neu für ihn, so wenig wie die Narben, die sie in der Erinnerung des Mannes hinterlassen hatten. Die bittere Überraschung des Zauberers beruhte auf der Tatsache, daß Arithon ihm dieses Mal voller Vertrauen freiwillig Einblick in seine Seele gewährte.
    Mit leerem Blick beobachtete Asandir den Wind, der durch das trockene, froststarre Gras fegte. Es war pure Ironie, daß nun die Gabe der Barmherzigkeit, die den s’Ffalenns in die Wiege gelegt wurde, die Zügel in seine Hände legte; die Weitsicht derer zu s’Ahelas lieferte die Peitsche dazu. Asandirs magische Wahrnehmung zeigte ihm Arithons innerstes Wesen, und seine Verletzbarkeit rührte einen unbändigen Kummer in dem Zauberer auf, denn er konnte, er würde und mußte, diesen Prinzen manipulieren, bis er bereit war, alles zu verraten, was ihm lieb und teuer war.
    »Dieser Ort«, riß Arithon den Zauberer aus seinem inneren Tumult, »er hat eine besondere Qualität. Es ist ein Gefühl, als würden die Felsen, die Erde, sogar der Wind wahrhaft lebendig sein.«
    »Caith-al-Caen ist mit einem Erdenweg verbunden«, entgegnete der Zauberer in einem Tonfall, der gemäßigte Zurückhaltung zu offenbaren schien, wenngleich ein leichtes Beben seine Ruhe störte. Möge Ath sich deiner erbarmen, dachte er, denn Arithon hatte ihm unwissentlich die Tür geöffnet, die der Bruderschaftszauberer so dringend durchschreiten

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