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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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mußte. Durch die vielen Lagen magischer Wahrnehmung wählte Asandir im Wispern des Windes seine Worte. »In der Vergangenheit haben sich hier bei jedem Wechsel der Jahreszeiten die alten Rassen eingefunden, um zu tanzen und die Erdmächte in Kanäle zu lenken, die sie über das umgebende Land verteilten. Damals waren alle zwölf Wege Atheras zu einem Gitterwerk verflochten, das alles Leben erhielt. Die Schwingungen dieses Gitters hallen hier noch immer nach.«
    Nun setzte sich seine Selbstbeherrschung wieder durch: eine Stimme konnte unterhaltsam klingen, selbst wenn der Sprecher tatsächlich eine schmerzliche Abscheu vor sich selbst empfand. Hier und jetzt würde er das Seil spinnen, aus dem die Schlinge entstehen sollte, und zwar aus dem Reinsten, was dieser Welt geblieben war: der Schönheit und wilden Grazie, die sich durch den Tanz der Riathan Paravianer über Caith-al-Caen gelegt hatte. »Ich kann es Euch zeigen, wenn Ihr es sehen wollt.«
    Es half nichts zu wissen, daß das Schicksal der Welt von diesem Betrug abhing, als Arithon sich überrascht aufrichtete. Seine Augen leuchteten erfreut auf, und eine Sehnsucht, die voll und ganz spontan über ihn gekommen war, ließ seine Mundwinkel erbeben. »Es wäre mir eine Ehre.«
    Irgendwie gelang es Asandir, seine verkrampften Finger voneinander zu lösen. Er streckte die Hand aus und hob einen flechtenverkrusteten Stein vom Boden auf. »Gebt mir Eure Hände«, sagte er. Dann streckte er die seinen mit den Handflächen nach oben aus. Der Stein lag wie die mythische Saat der Verführung in seiner Linken.
    Arithon legte die Lyranthe zur Seite. Eine Brise strich durch sein Haar und über das derbe Leinen seines Ärmels, als er die Arme ausstreckte, um die Hände des Zauberers zu ergreifen. Warme Finger legten sich in Asandirs kalte Hände, und Asandir nahm die Berührung so vorsichtig an, als würde selbst die Luft an seiner Haut reiben.
    Er führte Arithons Finger, so daß sie sich über den Steinbrocken legten. Dann umfaßte er sie mit seinen eigenen Händen. »Ihr wurdet gelehrt, Euren Geist zu klären und auf ein Ziel zu konzentrieren. Tut das jetzt, aber schließt dieses Mal den Stein mit ein, als wäre er ein Teil Eures Leibes, und laßt einen Weg für mich offen.«
    Sich des drohenden Schicksals nicht bewußt, schloß Arithon die Augen. Ohne hinzusehen fühlte Asandir die Veränderung, als sich der Herr der Schatten den notwendigen Vorbereitungen unterzog und den Tumult innerer Bewußtheit zu lauschender Stille führte. Wie ein Schäfer sein bestes Lamm zum Schlachten führen mochte, zog der Zauberer sein Bewußtsein in den Stein hinein, fing das überdauernde Glimmen paravianischer Magie ein und ließ es wieder frei, damit es in Arithons ungeschützten Geist dringen und seine unsterbliche Melodie singen konnte.
    Der erste Effekt war subtil, kaum mehr als das Gefühl der Erwärmung, das von dem Stein ausging, gefolgt von einem Kribbeln, ähnlich einem Ausbruch ausgelassener Heiterkeit. Arithon gab sich einem Augenblick des Zitterns, der innerlichen Anpassung hin, als wäre ein Akkord erklungen, der in harmonischer Resonanz mit seinem Sein schwang. Asandir fühlte, wie die Reaktion das Fleisch unter seinen Fingern erbeben ließ. Bedrückt schweigend zog er die Hände zurück und beobachtete.
    Arithon öffnete die Augen und sah die Vision tanzender Einhörner.
    Die Statuen der Riathan Paravianer im Althainturm mochten kunstvolle Proportionen und Linien widerspiegeln. Doch auch die größte Perfektion, gemeißelt in kalten Marmor, vermochte nicht, die Bewegungen einzufangen, nicht, die Leichtigkeit und den Flug der gespaltenen Hufe wiederzugeben, nicht, den Eindruck der angehobenen Schweife und fliegenden Mähnen, die feiner als gesponnene Seide waren, zu vermitteln, nicht, das Schimmern der spiralförmigen Hörner darzustellen, das sich nur dem Blick eines Magiers offenbarte, ließ nicht, die erhabene, herzerweichende Süße des Gesangs hören, die das Seufzen des Windes begleitete. Caith-al-Caen erklang in einer Reinheit der Töne, die gerade jenseits des menschlichen Begreifens zu liegen schien.
    Hilflos vor Überwältigung ließ Arithon den Stein fallen. Vor der Höhle, bei der er Zuflucht gesucht hatte, sank er in die Knie. Hingerissen von einer Begeisterung jenseits aller Hoffnung, von dem flüchtigen, kaum wahrnehmbaren Blick auf grenzenloses Glück, lachte er laut, ehe er schließlich zu zittern begann. Tränen füllten seine Augen und liefen ungehemmt

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