Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Blutgerinnsel, während frisches Blut aus seinen Wunden hervorströmte. Der Herr der Schatten spürte, wie sich sein Bewußtsein vernebelte und schwand. Ein heftiger Husten brach aus seiner Brust hervor. Alles verschwamm vor seinen Augen unter dem Ansturm zermürbenden Schmerzes.
Langsam und geduldig erlangte Arithon wieder Kontrolle über sich. Nicht lange, dann würde sich das Rad des Schicksals drehen und allem Leiden ein Ende setzen. Dennoch wollte er sich nicht einfach unter freiem Himmel dem Schicksal ergeben. Der Tod würde ihn nicht holen, ohne ihm die Gunst eines letzten Kampfes zu gönnen. Mit dem eisernen Willen eines Zauberers drängte er seine Schwäche zurück und zog sich über den Sand zu dem Fischermantel.
Blut lief aus seiner Nase und seinem Mund, als er sein Ziel endlich erreicht hatte. Mit wunden Fingern griff er nach dem Mantel, packte eine Kante des Stoffes und zerrte ihn über seine sonnenverbrannten Glieder. Als der Mantel zur Seite glitt, erkannte er das rauchgraue Band von Stahl. Der Stoff entglitt seinen tauben Fingern, und Arithon erkannte sein eigenes Schwert, das sich mit der Spitze durch das zerstörte Leder eines Wasserschlauches gebohrt hatte.
Ein Laut des Entsetzens bahnte sich seinen Weg durch die Flüssigkeit in seinen Lungen. Tränen des Zorns ließen den Glanz des Schwertes vor seinen Augen verschwimmen, während er sich der Erkenntnis gegenübersah, daß Lysaer ihre Überlebenschancen zunichte gemacht hatte. Warum? Der Herr der Schatten legte matt seine Wange auf den Sand. Hatten Schuldgefühle ihn zu dieser Tat veranlaßt? Vielleicht würde er das nie erfahren.
Doch das Ergebnis raubte all seinen vorangegangenen Mühen den Sinn. Verzweifelt wehrte sich Arithon gegen das Gefühl der endgültigen Unterlegenheit. Die Erinnerung an die Lyranthe, die er in Rauven zurückgelassen hatte, quälte ihn, und er konnte das Bild der vierzehn Silbersaiten, die im Lauf der Jahre, in denen sie nicht gespielt wurden, von Staub und Spinnweben verborgen worden waren, nicht loswerden. Nun waren seine Hoffnungen verstummt wie seine Musik. Verloren war nun seine Gabe, ausgeliefert dem Versagen und dem Tod unter einer fremden Sonne.
Arithon schloß die Augen, um sich dem harten Licht der Wüste zu entziehen. Er verlor seine Kontrolle. Bilder rasten wild durch sein Bewußtsein, lebhaft, klar und gnadenlos anklagend. Zuerst sah er den Obersten Magier. Aufrecht wie eine Statue hielt der in seinen Justiztalar gehüllte Patriarch von Rauven Avars Schwert in seinen emporgestreckten Hände. Etwas Rotes tropfte von der Klinge.
»Es ist mein Blut«, sagte Arithon.
Der Oberste Magier sagte nichts. Seine Kapuze umrahmte einen Ausdruck der Trauer und des Tadels, während seine Augen zu Boden starrten. Zu seinen Füßen lag ein Leichnam in den zerfetzten blaugoldenen höfischen Kleidern von Amroth.
Arithon stieß einen Aufschrei gepeinigten Protestes hervor. »Ich habe ihn nicht getötet!«
»Du hast ihn nicht genug beschützt.« Düster und unerbittlich vernichtend veränderte sich die Vision. Das Gesicht des Obersten Magiers verschwamm und formte sich dann neu zu dem Antlitz Dharkarons, dem Racheengel des Ath. Im Hintergrund erkannte Arithon ein kriegsgeschütteltes Schiffsdeck, und vor den Füßen Dharkarons lag ein weiterer Leichnam. Es war der seines Vaters, tödlich getroffen von einem Pfeil und umzüngelt von den Flammen eines verzehrenden Feuers.
Als sich das Schwert in des Rächers Griff verdunkelte und verlängerte, bis er den Ebenholzspeer der Verzweiflung hielt, schrie Arithon erneut auf. »Ath, hab Gnade! Wie hätte denn ich die tiefen Mysterien mißbrauchen können? War es denn ein Fehler, daß ich um eines einzelnen Lebens willen kein Massaker anrichten wollte?«
Hände in Panzerhandschuhen hielten die Speerspitze an Arithons Brust; nun füllte sich der umgebende Ozean mit den Kriegsschiffen aus Amroths Flotte. Diese aber waren gefangen in einem magischen Tumult, der sie indirekt durch Blindheit gegenüber den verwobenen Schatten lähmte. So kehrte sich ihr Angriff um, und die verzerrte Akustik veranlaßte sie, ihre eigenen Schiffe zu rammen und in Flammen zu setzen, bis sieben von ihnen zerstört waren.
Mit unterdrücktem Kummer sprach Dharkaron das Urteil: »Du wurdest für schuldig erklärt.«
»Nein!« Arithon kämpfte. Harte Hände ergriffen seine Schultern und schüttelten ihn. Schmerz explodierte in seiner Brust, und ein gepeinigtes Zischen entfuhr seiner Kehle. Eine rauhe Hand
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