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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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um festzustellen, daß sein Opfer das Bewußtsein verloren hatte. Hin- und hergerissen betrachtete der Prinz eingehend die Klinge des Schwertes. Ließ er sie nun niedergehen, dann würde die Schliche des s’Ffalenns ihm nichts mehr anhaben können. Doch schon die Waffe selbst verweigerte sich einer einfachen Exekution; die wohlausbalancierte Klinge gehärteten Stahles legte Zeugnis zugunsten Arithons ab.
    Den Schmieden von Dascen Elur war es nie geglückt, ein Schwert wie dieses anzufertigen, obwohl viele es versucht hatten. Der Legende nach entstammte die Klinge, die die Erben derer zu s’Ffalenn trugen, einer anderen Welt. Solchermaßen zum ersten Male mit derartiger Perfektion und übermenschlicher Harmonie zwischen Funktion und Form konfrontiert, erachtete Lysaer es nun doch als möglich, daß die Ahnen derer zu s’Ffalenn und derer zu s’Ilessid ihre Ursprünge jenseits des Verbannungstores gehabt hatten. Möglicherweise hatte Arithon die Wahrheit gesprochen.
    Ebensogut konnte er gelogen haben. Lysaer würde die Aufführung des Herrn der Schatten vor dem Rat von Amroth nie vergessen, würde nie vergessen, daß sein eigenes Leben ein Spielball für die unbekannten Absichten des Feindes geworden war. Vielleicht wandte er diese Taktik auch jetzt wieder an. Lysaer aber beraubte die Unsicherheit der Fähigkeit zu logischen Überlegungen. Zerrissen zwischen dem Haß auf den s’Ffalenn und dem Mißtrauen gegenüber seinen eigenen Motiven, erkannte Lysaer, daß er Arithons Handlungsweise niemals durch bloße Vermutungen auszuloten vermochte. Die Ehre aber erlaubte keine Doppelsinnigkeiten. Ärger flammte verhalten in ihm auf, als er das Schwert von sich warf.
    Reflexionen auf Stahl beschrieben einen wirbelnden Bogen, ehe das Schwert sich in den Fischermantel bohrte. Lysaer blickte auf die erschlaffte Gestalt seines Halbbruders herab. »Laß die Wüste dein Richter sein«, sagte er grob. Aufgerüttelt von der glühenden Hitze des Sonnenlichtes auf seinem Kopf, verließ Lysaer Arithon und sammelte die Hälfte der Vorräte ein.
    Doch unter dem zerfetzten Mantel erwartete ihn der letzte Schlag bitterer Ironie: Das Schwert hatte ihre letzte Wasserflasche durchbohrt. Schnell hatte der Sand ihren Inhalt aufgesogen, kaum war noch eine feuchte Stelle zu sehen. Lysaer strich mit der Hand über die Erde. Entsetzen saß wie ein Knoten in seinen Eingeweiden, und Arithons Worte stiegen höhnisch in seinem Gedächtnis auf. »Was weißt du von Not?« Und, erst vor kurzer Zeit: »Du hast eine Chance. Verschwende sie nicht.« Wie ein anklagender Finger deutete die Spitze des Schwertes auf ihn. Lysaer legte die Hände vor seine Augen, doch sein Geist verriet ihn und konterte mit einer Vision seines Halbbruders, der ausgestreckt, mit den Malen des Unrechts an seiner Kehle, unter der gnadenlosen Sonne lag.
    Schuld trieb Lysaer auf die Beine. Wie betrunken ahmte der Schatten seine Schritte nach, und Schweißtränen rannen über sein Gesicht, als er auf die kahlen Berge zu flüchtete. Die Sonne peinigte seinen Leib, und seine Sehfähigkeit ließ nach.
    »Die Einöde wird Rache nehmen, Bastard«, sagte Lysaer, ohne sich bewußt zu werden, daß die Hitze ihn bereits ins Delirium getrieben hatte.
     
    Arithon erwachte in der Stille der verlassenen Wüste. Blut rann in seinen Mund, und die Mühe eines jeden Atemzuges verursachte ihm entsetzliche Schmerzen in der Brust. Nicht weit entfernt lag der Fischermantel auf den Überresten des Lagers, das er mit seinem Halbbruder geteilt hatte. Lysaer aber war fort.
    Arithon schloß die Augen. Erleichterung legte sich über seinen müden, schmerzgepeinigten Geist. Bis ans Ende seiner Kräfte beansprucht, wußte er, daß er nicht weitergehen konnte. Wenigstens mußte er in seinem Elend nicht länger die Bürde der Verantwortung für das Leben seines Halbbruders tragen. Lysaer würde überleben und das zweite Tor finden; so gab es wenigstens einen kleinen Erfolg inmitten der Masse aus Mißerfolgen.
    Der Herr der Schatten schluckte mühsam. An seiner Kehle spürte er das Pulsieren der verkrusteten Wunde. Er empfand keinen Groll. Nur Ath wußte, wie nahe er selbst daran gewesen war, einen Blutsverwandten mit dem Schwert zu schlachten, daß das Symbol seines eigenen Friedensschwures war. Vorsichtig rollte sich Arithon auf den Bauch. Die Bewegung erzeugte flammenden Schmerz, als sich die gebrochenen Knochen in sein Fleisch bohrten. Bei jedem Atemzug blubberte die Luft in seinen Lungen durch die

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