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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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gut, aber was bedeutet schon mein Wort gegen die hochtrabenden Weissagungen eines weinerlichen, versoffenen Propheten?«
    »Vielleicht alles«, antwortete Felirin freundlich. »Ihr seid zu jung, um ohne Träume zu leben.«
    »Ich wußte nicht, daß ich das tue«, entgegnete Arithon voller Ironie. Dann fügte er hinzu: »Jetzt jedenfalls habe ich die Absicht, zu Bett zu gehen.« Er ging davon und überließ den Barden seiner nagenden Neugier und der ungeteilten Aufmerksamkeit der Pferde.

 
Rückblende
     
    In den Niederungen von Pasyvier, neben den Flammen eines Barbarenfeuers, spricht ein Seher in scharfem Ton mit einer großgewachsenen Dame, die vom herbstlichen Pferdemarkt zurückgekehrt ist. »Erzähle mir das noch einmal. Du hast einen Zauberer gesehen? Und bei ihm war ein blonder Fremdling, der die Sprache der Reingeborenen spricht? Ich sage dir, wenn das stimmt, dann wird es Krieg geben …«
     
    In der Gerichtshalle von Westende sitzt ein Stadtregent auf seinem Thron aus geschnitzter Eiche und Quarz und lauscht mit Schweiß auf der Stirn einer ganz ähnlichen Beschreibung aus dem Mund jenes Mannes, der die Fiedel auf dem Marktplatz gespielt hat …
     
    Unter dem Dunst der Tornirgipfel schallt eines Khadrim wilde, schrille Klage bis hin zu der magisch versiegelten Zuflucht; der Ruf erzählt vom Tod durch verfluchten Stahl, wie er schon seit tausend Jahren nicht mehr gesehen wurde …

 
6
ERDANE
     
    Die Mauern von Erdane waren an einer Straßenkreuzung errichtet worden, zwei Zeitalter bevor der Aufruhr, dem die Hohekönige zum Opfer gefallen waren, das Labyrinth der schmalen Gassen der Stadt im Blut ertränkte. Nun, fünf Jahrhunderte später, sah die Stadt wie eine abgerissene und geschmacklos herausgeputzte Prostituierte aus. Goldene Flaggen mit dem Wappen des Stadtregenten flatterten über dem großen Westtor, das paravianische Baumeister aus Rosenquarz errichtet hatten. Noch immer zeichneten die Schlaglöcher aus der Zeit der Belagerung die Straßen der Stadt, deren Pflaster von den vielen Generationen ihrer Bewohner glatt geworden war. Wären die Wachposten der herrschaftlichen Garde so aufmerksam gewesen, wie ihre Vorgänger in einer lange vergangenen Zeit, so hätten sie die Frau in dem Schäferumhang aufgehalten, die das Tor passierte und ihre Kapuze dabei tief ins Gesicht gezogen hatte. Unter ihrem knöchellangen Kleid waren Stiefel aus Robbenleder zu erkennen, doch deren Sohlen waren nicht zum Laufen gefertigt worden. Ihre Hände hatten Schwielen vom Halten der Zügel, und ihre Augen strahlten in einem klaren, beunruhigenden Grau.
    Doch der Wachkommandant schaute kaum von seinem Würfelspiel auf, und der knabenhafte Soldat, der sich auf seinen Speer stützte, ging ganz und gar in der Betrachtung einer Hure auf, die ihre ausladenden Reize vor einem laut grölenden Viehtreiber zur Schau stellte. Elaira, Korianizauberin und Botengängerin der Obersten Zauberin, betrat die Stadt unbemerkt zwischen einem mit drei Säuen beladenen Wagen und den knarrenden Rädern eines Bierwagens. Seit vierhundert Jahren war sie die erste ihrer Art, die die Tore dieser Stadt passierte, und sie war die einzige, die dies ohne die Billigung ihrer Seniorzauberin wagte. Hätte jemand ihre Profession erkannt, so hätten die Menschen ihr die Kleider vom Leibe gerissen und sie öffentlich verbrannt, ohne ihr einen ordentlichen Prozeß zu gewähren.
    Auch anderen Frauen war dieses Schicksal in dieser Stadt während der vergangenen Jahre widerfahren, und selbst wenn der Stadtregent Zweifel an der Richtigkeit der Vorwürfe gegen jene Frauen gehabt haben sollte, so ließ ihn sein Gewissen dennoch ruhig schlafen. Sein Rat und seine Gildemeister sorgten sich vielmehr darum, daß die Mächte einer fernen Vergangenheit sich aus dem Land der Legenden erheben und Rache fordern könnten. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Einwohnern der Stadt, hatte Lord Elect von Erdane Zugang zu den Archiven, in denen die Geschichte der Konspiration und des Mordens niedergelegt war. Für ihn, seinen Rat und seine Generäle war die Sonne nicht nur ein Mythos. Sie war der Vorbote magischer Kräfte, Verkünderin des sicheren Verderbens.
    Elaira war sich der Gefahren, in die sie sich begab, durchaus bewußt. Ununterbrochen verbarg sie sich unter der schweren, tief in die Stirn gezogenen Kapuze und achtete sorgsam darauf, nicht zwischen die Hure und deren Quelle männlicher Aufmerksamkeit zu geraten. Als der Bierwagen einen jähen Schlenker beschrieb, um

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