Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Dinge sorgen, die mir nicht einmal der Mühe wert sind, bedacht zu werden.«
»Genau das ist das Problem«, konterte Elaira, während er ihr die Hand reichte und ihr auf die Füße half. Ehe er beinahe widerstrebend ihre Hand wieder losließ, wurde ihr bewußt, wie sehr seine Statur doch über seine wahre Kraft hinwegtäuschte, die ihn möglicherweise in trügerischer Sicherheit wog. »Ich finde meinen Weg allein«, sagte sie. »Ich weiß nur nicht, ob Ihr das auch könnt.«
Elaira erwähnte die Banne nicht, die das Haus der Seherin, in dem er logierte, vor Fremden verbargen.
Dennoch entging ihm diese Erwägung keineswegs. »Asandir weiß, daß ich hinausgegangen bin, um ein wenig Luft zu schnappen.« Mit bekümmertem Gesichtsausdruck musterte Arithon die Flecken auf seinen Kleidern. »In der Straße nahe dem Haus von Enithen Tuer gibt es etliche übelriechende Pfützen und Dutzende gefährlicher Hindernisse. Ein Mann, der zu sonderbaren Schwindelanfällen neigt, könnte leicht einen Fehltritt tun.«
Er streckte den Arm aus und begann mit zarten Bewegungen das Stroh aus ihrem Haar zu entfernen. In diesem Augenblick, als sie längst keine Möglichkeit mehr hatte, eine Ausflucht zu erfinden, stolperte eine junge Novizin während ihrer Wache über Elairas Präsenz.
Die Zauberin versteifte sich, als die Energien ihrer weit entfernten Schwester über sie hinwegfuhren und sie identifizierten. Elaira antwortete mit einem Vorstoß selbstgerechter Empörung. »Bei den Qualen von Sithaer, nicht jetzt!« schimpfte Elaira und unterstrich ihren Ärger durch eine passende schmutzige Bemerkung.
Völlig überrascht wich Arithon zurück. »Pardon?«
»Es ist nicht Euretwegen«, versicherte ihm Elaira, obgleich sie sich kaum mehr auf ihn zu konzentrieren vermochte. Offensichtlich gab es noch schlimmere Unziemlichkeiten, als einen Zauberer der Bruderschaft aufzusuchen oder mit seinem übelbeleumundeten Schüler Karten zu spielen. Das Echo, das sie aus der Ferne wahrnahm, informierte Elaira darüber, daß auch ein Gespräch mit einem Prinzen auf einem Heuboden nach Mitternacht ohne jeden Zweifel dazu gehörte. Dennoch würde es sie viel zu viel Zeit kosten, die Umstände zu erklären, die sie in diese Lage geführt hatten. »Auch ich muß jemandem Rechenschaft ablegen – meiner persönlichen Version eines Asandir.«
Arithon grinste und zog sich bescheiden in den Schatten zurück. »Dann empfehle ich Euch eine gute Ausflucht und eine sanfte Landung in einem weichen Komposthaufen.«
Sie hörte, wie er mit leisen Schritten die Leiter erreichte.
»Gehabt Euch wohl, gnädige Frau Zauberin.« Und schon war er fort und ließ sie in einem Dilemma allein zurück, das noch schlimmer war als das, in welches sie sich durch ihren Besuch bei Enithen Tuer gebracht hatte.
Der Wächter des Mirthlvainsumpfes
Wie ein Hexenkessel lag der Mirthlvainsumpf zwischen den zerklüfteten Gipfeln des Tiriacgebirges und dem nördlichen Ufer des Methlas-Sees. Dies war ein Ort, an dem sich auch die kühnsten Männer nicht gern aufhielten. Verborgen unter dichten Nebelschwaden beherbergten die schlammigen Untiefen neben ihren nadelspitzen Reetgräsern eine Schreckensbrut, die zu beherrschen zwei Zivilisationen sich vergeblich bemüht hatten. Und doch wagte sich ein Mann mitten hinein in die Gefahr und betrat den Steg aus porösem Stein, ein Überbleibsel eines längst untergegangenen Bollwerks. So furchtbar knapp an Helfern sie auch seit der Machtergreifung des Nebelgeistes waren, ließen die Zauberer der Bruderschaft den Mirthlvainsumpf doch nie unbewacht.
Der Meisterbanner Verrain kauerte auf einem gefährlichen Brückenbogen, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Zu seinen Füßen lag sein zerknitterter, rostfarbener Umhang, und sein ungekämmtes blondes Haar kräuselte sich feucht vom Nebel um seinen Nacken. Lange hatte er reglos dort gesessen, die großen, tüchtigen Hände mit den punktförmigen Narben alter Bißwunden um seinen ebenso mitgenommenen Stab gekrallt.
Unregelmäßig schlug das Sumpfwasser gegen die verfallene Mauer, während etwas, das ungesehen in der Tiefe lauerte, seine Ruhe störte. Dann plötzlich verharrte es in ranziger Bewegungslosigkeit. Falten bildeten sich über Verrains Augenbrauen. Ein einzelner, elfenbeinfarbener Knöchel zuckte kurz. Schwarze Augen betrachteten noch schwärzeres Wasser, schauten so unsichtbar wie besorgt in die Tiefe.
Das Spiegelbild des vernebelten Himmels im Wasser bebte sanft, als würden
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