Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
mehr Weiß erkennbar war, neben ihm ein anderer Kopf, naßglänzend und blond. Lysaer hatte seinen Helm abgelegt, doch er konnte sich nicht von dem Kettenhemd befreien, das ihn in die Tiefe zog. Gleich darauf wurde ein Stamm herbeigetrieben, vielleicht war es auch ein untergetauchter Leichnam, verfangen in abgerissenem Zaumzeug, schlug auf die Schwimmer auf und behinderte sie. Das Pferd wurde herumgewirbelt und ging in der saugenden Strömung des Wassers unter. Vom Reiter war nichts mehr zu sehen.
Eisige Wut packte Lord Diegan. »Du und du!« sagte er mit zusammengebissenen Zähnen zu den Männern, die noch immer das Zaumzeug seines Pferdes hielten. »Knotet meine Zügel an die Bißstange.« Heftig schlug er den Männern die Lederriemen in die Gesichter, ohne sich darum zu kümmern, ob er womöglich ihre Augen verletzte. Dann trieb er sein Pferd zum Ufer hinunter, und mit einem Schrei, der selbst das Rauschen der schwarzen Wassermassen des Tal Quorin übertönte, riß er das Kommando wieder an sich. »Etarraner! Zu mir! Formiert euch neu!«
Irgendwo stromaufwärts lauerten die Clanmitglieder, die diese Katastrophe ausgelöst hatten. Sie sollten einen grausamen Tod erleiden, das schwor Diegan, während er versuchte, die Verluste zu zählen und dabei immer noch mehr Elend sehen mußte. Kaum ein Viertel der ersten und zweiten Kompanie der Garde Etarras war noch auf den Beinen. Diese wenigen wateten tropfnaß auf das Ufer zu. Mit sich schleiften sie die Verstümmelten und Sterbenden, die es trotz allem doch besser getroffen hatten, denn der Schrecken war mit der Flutwelle noch nicht zu Ende. Für die Truppen, die Lysaers wohlerwogene Anweisungen aus der Gefahr des Ertrinkens gebracht hatte, boten die Berghänge nun einen erbärmlichen Hafen. Dort, wo das Flußufer einen festen und einladenden Eindruck machte, wimmelte es nur so vor tödlichen Fallen. Der Boden gab unter den Hufen der Schlachtrosse der Lanzenreiter nach. Ihre Schreie gellten durch die Luft, als sie sonderbar verdreht in die Gruben stürzten, in denen zugespitzte Pflöcke sie erwarteten.
»Bleibt in der Ebene!« brüllte Diegan. Mit roher Gewalt trieb er sein Pferd vom trockenen Grund fort. Bis zum Sattelgurt im Wasser bahnte er sich seinen Weg, um die verstreuten Überlebenden einzusammeln. Die Pferdedecke saugte sich mit Wasser voll und zerrte bei jedem Schritt an dem Tier. Mit dem Messer trennte er den feuchten Stoff ab. Da das Tuch das Wappen seines Hauses trug, fischte ein zerschrammter, blutender Leutnant es unbeholfen mit seinem abgebrochenen Langspeer aus dem Wasser. Um die triefende, schlammbeschmutzte Standarte herum, mühten sich die Soldaten der zweiten Kompanie, ihre zerstörten Reihen wieder aufzubauen. Sie versammelten sich, schleppten stöhnende Verletzte mit sich und versetzten den Pferden, die sich nicht mehr aufrichten konnten, geschickt den Gnadenstoß. Die Flutwelle hatte ihren Höhepunkt hinter sich und floß ab, hinterließ eine schäumende Fläche schlammiger Stromschnellen, die sich ihren Weg um Unebenheiten bahnten, die nicht von Felsen, sondern von Fleisch, Knochen und Muskeln der tapferen Soldaten Etarras, ihren achtzehnhundert Lanzenreitern, ihren seidenen Bannern, ihren handverlesenen Rekruten und ihren Kettenhemden und Waffen herrührten, die gerade erst mit dem Geld der Händler gekauft worden waren.
Als der Strom langsamer wurde und nur mehr träge dahinfloß, wurden die getöteten Opfer des vorangegangenen Blutbades wieder zum Vorschein gebracht. Vom Leib eines von Barbaren gezüchteten braunen Wallachs war nichts zu sehen, noch entdeckte einer der Männer aus Diegans Kompanie eine Spur seines königlichen Reiters.
Niemand sprach von Lysaer; doch seine Abwesenheit lastete schwer auf der Ruhe, die eintrat, als das Donnern des Tal Quorin verstummte. Am Ufer fuchtelten Bogenschützen mit abgebrochenen Pfeilen und gedehnten Bogensehnen herum. Knietief durch den Dreck und niedergedrücktes Riedgras stolpernd, zogen die Pikeniere ihre Dolche und schnitten die nassen Banner ab, die die Balance ihrer Waffen störten, grimmig entschlossen, die Feinde zu suchen und zu töten. Kaum ein Mann blutete nicht. Kaum ein Pferd war nicht lahm.
Doch der einzige Aufschrei, den sie hörten, war der ärgerliche Ruf eines Eichelhähers.
Etwas peitschte durch das Blätterwerk. Ein Mann stolperte und brach zusammen, und rund um ihn herum begannen andere zu schreien.
Die Clanbrut schoß mit Pfeilen auf sie.
Ein weiterer Mann brach zusammen
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