Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
morastige Täler stolpern ließen.
Die Schatten selbst widersetzten sich den Gesetzen der Natur. Ein Städter, der sich umwandte, um zurückzugehen, fand sich im klaren Sonnenschein wieder. Wenn er seiner Furcht und seinen Instinkten folgte und auf direktem Wege die Flucht antrat, würde er auf kein weiteres Hindernis treffen. Jeder etarranische Soldat aber, der hochmütig genug war, diese Gnadenfrist zu nutzen, um seine Orientierung wiederzugewinnen, wurde schon im nächsten Augenblick von der Finsternis verschluckt. Blind und richtungslos brachen sie durch Zweige und Morast, renkten sich die Fußgelenke aus, schlugen ihre Schienbeine blau an herzlosen Felsbrocken und aufragenden Wurzeln. Die Landschaft selbst führte sie nordwärts, wo sie schließlich, arg mitgenommen und orientierungslos, in die blendende Helligkeit des plötzlich wieder ungehindert herabscheinenden Sonnenlichtes hinaustaumelten.
Pfeile erwarteten sie in lautlosem, gleichmäßigem Flug, abgeschossen von verborgenen Clanschützen. Soldaten schrien, strauchelten und starben; andere, durch die Schreie ihrer Gefallenen vor dem Hinterhalt gewarnt, zogen sich wieder in den Schutz der Schatten zurück, wo sie von ihren eigenen Kameraden niedergestochen wurden, die zu sehr aus der Fassung geraten waren, um die Farben der Stadt noch von dem Rehleder der Feinde zu unterscheiden.
Bestürztes Rufen und qualvolles Stöhnen verfing sich in dem Netz komplizierter Beschwörungen, von dem es als Echo zurückgeworfen wurde. Wie den Abfluß des Wassers zur Ebbe empfand Arithon des stete Zehren an seinen Energiereserven. Gleich einem tödlichen Frost zur unpassenden Jahreszeit vermischte sich die Magie, die ihn sein Großvater gelehrt hatte, auf schauerliche Weise mit Mord. Am schlimmsten war es dann, wenn die Magie schwand und sterbende Männer wie Fische im Netz zuckten und ihren letzten Atemzug aushauchten. Als hätte er Seide um eine heißbrennende Flamme gewunden, arbeitete Arithon sich durch ein gefährliches Paradoxon, gab er sich doch bis zum Äußersten feinsinniger Wahrnehmung hin, während er sich gleichzeitig – nach außen blind und taub scheinend – in sich selbst versenkt und striktem Schweigen verpflichtet hatte. Er hörte die Spötteleien der Bogenschützen, die neben ihm die Pfeile sortierten und Wasserschläuche weiterreichten, doch er antwortete ihnen nicht. Von Zweifeln bedrückt und sich durch seine messerscharfe Wahrnehmung doch der Tatsache bewußt, daß nie mehr Städter auf einmal durchkommen durften, als die Schützen bewältigen konnten, wehrte Arithon die Schwäche ab, die sich schmerzlich durch sein Innerstes bohrte. Sollte er abgleiten, sollte er die Spur nur eines einzigen Lanzenreiters oder Söldners verlieren, so konnten Steivens Clans nur allzu leicht überrannt werden. Gefangen in der Konzentration, die notwendig war, exakt zu wählen, welches Opfer aus den Schatten befreit werden sollte, fühlte er zunächst nichts, als sich in der Nähe des Flusses der Lebenssaft der Söhne der Clans von Deshir über die Erde ergoß.
Doch der junge Jieret, der über das Zweite Gesicht verfügte, schrie laut auf. »Ath! Ath, es ist Teynie!« Er schleuderte seinen Bogen von sich und zerrte an Arithons Schulter, gepeinigt von maßlosem Entsetzen. »Schnell! Sie wird sie alle verraten!«
Benebelt und unter der Last des verschachtelten Labyrinths der Schatten und Schutzzauber, hörte Arithon weder seine Worte noch fühlte er seine drängende Berührung. Dennoch erwachte er aus seiner Trance. Der Eid, den er gegenüber Steivens Sohn abgelegt hatte, war ein Blutschwur gewesen, und für einen geschulten Zauberer bedeuteten derartige Rituale eine engere Bindung als nur ein bloßes Versprechen; sein Leben und das des Jungen waren auf heikelste Art miteinander verbunden. Wie ein Mann, der aus tiefster Bewußtlosigkeit erwacht, mußte er sich erst einmal sammeln, ehe er seine Umgebung wieder voll wahrnehmen konnte, doch er war nicht schnell genug.
Verloren in seiner Furcht und seinem entsetzlichen Schmerz, drängte Jieret sich an den Bogenschützen vorbei und sprang über die Umpfählung, die ihnen als Deckung diente.
Ihm blieb keine Zeit, seine Entscheidung zu überdenken. Arithon ließ von den Bannen ab, ließ sie zu einer gleißenden Kaskade mißbrauchter Energien zusammenbrechen.
Die Schattenbarriere, die sich ohne großen Aufwand stabilisieren ließ, wandelte er eilends in einen lichtlosen Mantel über dem Tal, der die Truppen Etarras
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