Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
deinen Schüler vielleicht seiner Behaglichkeit entreißen?«
»Nicht auf deine Art, Gespenst.« In einem weniger schwermütigen Augenblick hätte Asandir vielleicht gelacht. »Ich habe heute nicht genug Geduld, um Leute über ihren verletzten Stolz hinwegzutrösten, ganz besonders nicht solche, die nach ihrem übermäßigen Appetit bereits unter Bauchschmerzen leiden.«
»Und Arithon?« Voller Sarkasmus hallte die Stimme des körperlosen Zauberers durch das Tor.
Asandir löste sich aus seiner unbewegten Haltung und schritt die von Ranken überwucherte Straße hinauf, die zu der inneren Zitadelle führte. »Er ist gerade damit beschäftigt, seine Lyranthe zu stimmen, und zwar mit einer Verbissenheit, die besser zu einem Mann passen würde, der den Stahl zur Blutrache wetzt. Wenn du ihn provozieren willst, dann wünsche ich dir viel Vergnügen.«
Kharadmon stieß ein lautes Lachen aus, während er als unsichtbarer Strom kalter Luft Asandirs Weg begleitete. »Elshians Lyranthe ist doch eine hervorragende Waffe.«
»In Arithons Händen zur Zeit gewiß nicht«, schnappte Asandir. Dann seufzte er. »Heute morgen reagiere ich ebenso gereizt auf dich wie Luhaine.« Doch dafür hätten die unzähligen Wards auch ohne Kharadmons stets provokatives Benehmen vollkommen ausgereicht. Da die Effektivität eines jeden geheimen Abwehrzaubers von dem Wahren Namen abhing, konnte keine Magie perfekten Schutz vor etwas bieten, das sich außerhalb magischer Wahrnehmung befand; eine Essenz abzuwehren, geschaffen aus Nebel und vielfältigem Empfindungsvermögen, stellte eine beinahe unlösbare Aufgabe dar, so als wollte man Dunkelheit mit einem Lattenzaun einfangen. Trotz der gemeinsamen Anstrengungen von vier Zauberern konnte sich Asandir eines Gefühls der Hilflosigkeit nicht erwehren. Das Netz hatte ihr Scheitern vorausgesagt, und selbst die machtvollste Abwehrmaßnahme mochte sich den vielen Wesen des Desh-Thiere gegenüber durchaus als unzureichend erweisen. Nur, wenn alles gutging, konnte der Nebel zurückgetrieben und das natürliche Klima Atheras wiederhergestellt werden; nur, wenn die Prinzen, die die Hoffnungen aus zwei großen Prophezeiungen in sich vereinigten, während der endgültigen Bannung des Nebelgeistes beschützt werden konnten.
Nicht gar so versunken, wie es den Anschein hatte, stieg Asandir über die Überreste eines Fries hinweg und dachte über ein Thema nach, das sein Bruder zuvor nur kurz angeschnitten hatte. »Luhaine ist also nicht zufrieden, sagst du.«
Die kalte Luft wandelte sich zu einem eisigen Wind, vehement beinahe wie ein Fluch, als Kharadmon sagte: »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er die Steine im Flußbett auf den Kopf gestellt und ganze Horden Salamander aufgescheucht.«
»Wenn das nur alles wäre«, erklang der gekrächzte Kommentar jenes Geistes, den Kharadmons heimtückischer Spott getroffen hatte. Gerade rechtzeitig, sich selbst zu verteidigen, war Luhaine zu ihnen gestoßen. »Wir können unmöglich genug Wards errichten, um jedes athvergessene Mauseloch auf Erden zu versiegeln!«
»Und das heißt?« Mit düsterem Blick fixierte Asandir die Energiematrix, die seine magische Wahrnehmung als Essenz jenes Geistes identifizierte, mit dem er sprach.
Sollte Luhaine die Absicht gehabt haben, zu antworten, so riß doch Kharadmon das Gespräch an sich. »Selbst über die ganze Stadt verteilt, stellt Desh-Thieres konzentrierte Bösartigkeit die größte Bedrohung dar, mit der wir es je zu tun hatten. Ihn noch weiter einzuschränken, erhöht aber nur seine Unberechenbarkeit. Was wird geschehen, wenn die Prinzen ihn zu einem winzigen Etwas schrumpfen, einem Schatten, klein genug, sich überall zu verstecken?«
Asandir sprach die unangenehme Wahrheit unverblümt aus. »Namenlos können wir ihn nicht verfolgen.« Angespannt fuhr er fort: »Dann sucht nach einem anderen Ausweg.«
Kharadmon verzichtete diesmal auf einen höhnischen Kommentar, und Luhaine enthielt sich ausschweifender Erklärungen über jede einzelne Nuance des Risikos.
An diesem Tag, und bis zu den großen Umwälzungen, die sich zum Zeitpunkt der Krönung Arithons ereignen sollten, konnten sie der Gefahr nicht entgehen.
Auf den Zinnen des Kielingturmes herrschte noch immer eisige Stille, als Asandir dort gemeinsam mit seinen körperlosen Brüdern Aufstellung bezog. Stimmen hallten über die Treppe hinauf: Lysaers Stimme, die lauthals eine geistreiche Bemerkung ausstieß, und Dakars gewohnt gehässige
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