Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Entgegnung.
»Erstens haben sie gar keinen Telirbranntwein in Etarra. Erwähnt nur den Weingeist von Früchten, die der Nebel hat jahrhundertelang sauer werden lassen, dann wird Euch der Justizminister des Gouverneurs laut heulend durch Euer Gesäß pfählen. Sie haben dort panische Angst vor den Legenden.« Keuchend unterbrach sich Dakar. Die Treppe war sehr lang und sehr steil. Noch immer wütend fügte er hinzu: »Zauberer werden sogar noch schlechter angesehen. Erzählt dort davon, daß Ihr einem begegnet seid, dann werden sie Euch am Stück rösten, ohne Euch noch einmal anzuhören. Ich habe diese Einöde ebenso satt wie Ihr, aber ich will verdammt sein, ehe ich mich voller Eifer in diesen Sumpf aus Korruption und Vorurteilen stürze!«
»Nun gut«, sagte Lysaer lebhaft liebenswürdig und ebenso stur, »wenn Desh-Thiere erst besiegt ist und wir so oder so dorthin gehen, dann werde ich das Bier bezahlen, bis Ihr in Eurem Krug ertrinkt.«
»Versucht es ruhig.« Dakars wirrer Schopf tauchte in den Nebel ein, während er sich umdrehte, um eine passende Erwiderung die Stufen hinunter zu schicken. »Erstens, wenn es ums Trinken geht, dann werde ich Euch unter den Tisch saufen, Prinz. Zweitens wird in Etarra kein Bier gebraut, das es auch nur wert wäre, gepißt zu werden. Dort mögen sie Gin. Die halbe Bevölkerung holt sich davon Kopfschmerzen. Ihr werdet ja noch sehen, wie übellaunig der Rat des Gouverneurs ist.«
Lysaer überholte Dakar und schleppte ihn zu den Zinnen hinauf, wo er seinen Halbbruder mit angezogenen Knien und um die Beine geschlungenen Armen hocken sah. »Beeilen wir uns, damit wir den Rest dieses Nebels endlich in sichere Verwahrung bringen.«
Arithon nickte geistesabwesend, ehe er sich an die scheinbar reine Luft wandte: »Wir werden diese Sache hier erledigen, richtig?«
Dakar, dem Lysaers Schulter den Blick versperrte, verdrehte den Hals, um dem Gespräch zu folgen, als etwas Unsichtbares ihn plötzlich zu einer ganzen Reihe wütender Verwünschungen veranlaßte.
Lysaer, der sich im Mittelpunkt des Kreuzfeuers wiederfand und nicht davon überzeugt war, daß die Attribute, die Blasphemien mit den Eigenschaften frischen Kuhdungs in Verbindung brachten, auf seine Person bezogen gerechtfertigt waren, sagte: »Ich scheine irgend etwas nicht ganz verstanden zu haben.« Seine freundliche Natur ließ ihn nicht im Stich, als er sich umwandte, um seinem Peiniger in die Augen zu sehen. »Könntet Ihr von den Beleidigungen Abstand nehmen und mir erklären, worum es geht?«
Dakar verdrehte die Augen, während sich hinter Lysaers Rücken die geisterhaft stillen Abbilder von Luhaine und Kharadmon auf den Zinnen manifestierten. Auf ihre Art sahen sie beide nicht besonders gut aus: Luhaines rundliche Gestalt hatte die Stirn wie so häufig in Falten gelegt, und Kharadmon war sehr schmal.
Noch immer verwirrt drehte Lysaer sich erneut um, nur um sich sogleich fremden Zauberern gegenüber zu sehen. Allein seine königliche Haltung verhinderte, daß er erschrocken zurückwich. Statt dessen reagierte er mit lobenswerter Höflichkeit. »Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt.«
Kharadmon hob seine dürren Finger und schob sich die Kapuze vom Kopf. Buntgestreifte Locken fielen über seinen Umhang, als er sich einem Höfling gleich verbeugte. »Mein Prinz, wir sind Zauberer der Bruderschaft, Brüder im Geiste, seit dem Tag, an dem unser Heisch einem Unglück zum Opfer fiel.« Dann richtete er sich auf und konfrontierte Lysaer mit seinen fahlen Augen, die ihn mit einem Ausdruck boshafter Provokation studierten.
Luhaine schob die Daumen hinter seinen Gürtel. Als Mensch war er stets vorsichtig gewesen und hatte seine Beleibtheit mit Zurückhaltung gepflegt; als Geist verzichtete er auf Ausschmückung, hielt er sie doch für eine frivol verschwendete Beschwörung. Seine Worte, erstaunlich steif, verglichen mit seiner Erscheinung, wogen schwer genug, zu verletzen, als er sagte: »Der Possenreißer, der da spricht, ist Kharadmon, Euer Hoheit von Tysan.«
»Possenreißer«, wiederholte Kharadmon und schürzte die Lippen. »Luhaine! Sind denn deine geistigen Fähigkeiten so ermattet, daß du dich mit Beinamen quälen mußt?«
»Nach zwei Zeitaltern, während derer ich deinen üblen Geschmack ertragen mußte, kann mich ein solches Versagen kaum noch beschämen.« Zurückhaltend und mit freudlosem Blick musterte Luhaine den blonden Prinzen, der selbst Unhöflichkeiten würdevoll entgegentrat.
Weitere Kostenlose Bücher