Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Lordschaft. Plünderer haben die Lampenpfosten niedergerissen, um sie als Prügelwaffen zu benutzen. Drei Ratsherren sind erschlagen worden.«
»Du bringst Neuigkeiten?« Diegan packte den Mann derb am Kragen.
Gerade in diesem Augenblick erkannte der Bote, wer seinen Lordkommandanten begleitete, und er sprang keuchend zurück. »Aber, Euer Lordschaft! Dieser blonde Mann ist ein Lakai der Zauberer!«
Äußerst geneigt, Gnudsog herbeizurufen, auf daß er dem Bibbern dieses Dummkopfes gewaltsam ein Ende machte, schrak Diegan zurück, als jemand ihn am Arm berührte. Er wirbelte herum und sah sich dem ruhigen Blick Lysaers gegenüber.
Der Prinz, der allen Rechten seines königlichen Ranges entsagt hatte, sagte sanft: »Nicht. Nach Arithons Verrat ist eines Mannes Feindschaft ganz untadelig. Laßt mich selbst beweisen, daß ich Vertrauen verdiene, seines, Eures und das von Etarra.« Der Prinz in dem kitschigen Samtgewand hatte eine Haltung ungeübter Majestät, und seine wenig anziehende Demut vereinigte sich mit Huld und glanzvollem Reichtum zu einem machtvollen Effekt.
Der Bote trat unterwürfig zurück. »Verzeiht mir, edler Herr.« Gerade wollte er den Prinzen berühren, als er, entsetzt über seine blutenden Knöchel, mitten in der Bewegung erstarrte.
Mit einem freundlichen Schlag auf die Schulter erlöste Lysaer den verschreckten Mann aus der Verlegenheit. »Vergeßt den edlen Herrn. Gegen den Herrn der Schatten sind wir von gleichem Stand, Ihr und ich.« Dann, als würde der schreiende, zerstörerische Pöbel nicht gerade von Gnudsogs Männern geschlagen, als würde keine Dunkelheit die Sicht ersticken, forschte er mit sanften Fragen nach neuen Informationen.
Ehrfurchtsvoll beobachtete Diegan, wie der Bote zu zittern aufhörte und antwortete. Sehr bald erfuhren sie, daß Traithes Banne die Angehörigen des hohen Rates handlungsunfähig machten. Mit der Bestimmtheit eines alten, vernarbten Tigers erkannte Gnudsog an, daß seine Truppe zwar problemlos Türen einschlagen konnte, Zauberbanne jedoch eine andere Sache wären.
»Dann werden wir keine Gewalt anwenden«, sagte Lysaer gleichmütig. An den Boten gewandt, fügte er hinzu: »Du hast den Platz vor der Ratshalle überquert. Was ist aus den großen Podesten geworden, die für die heuchlerische Ansprache des s’Ffalenn aufgebaut worden sind?«
Der Kurier verdrehte die Augen. »Aufständische haben sie besetzt. Ein Pack Gildeschüler ist mit Stemmeisen und Brechstangen gekommen, um sie einzureißen, aber die Bauern haben sie mit ihren Rollwagen blockiert, Leopardenbanner geschwungen und geschworen, sie würden die Charta der Krone um ihrer Landrechte willen wieder in Kraft setzen.«
»Extremisten auf allen Seiten?« Lysaer grinste. »Das ist perfekt.« Er lachte und blickte Diegan, der noch immer verblüfft war, und Gnudsog, der in unseliger Verwirrung ganz darauf konzentriert war, die Narben an seinem Arm zu betasten, aus glänzenden Augen triumphierend an. »Da Eure Ratsmitglieder nichts tun können, um die Ruhe in ihrer Stadt wiederherzustellen, sage ich Euch jetzt, wie wir das für sie erledigen werden.«
Sie marschierten flott und erreichten bald den Platz. Gnudsog formierte seine Männer zu einem Keil und rannte die aufständischen Schüler von hinten nieder. Schwerter und stahlbewehrte Hellebardenkolben machten kurzen Prozeß mit Holzstäben; der Rollwagen mit den zerschmetterten Lattenkisten und Melonen und den Küken hielt nur kurze Zeit stand. Gnudsogs Männer nutzten Pfosten als Hebel und hatten das Vehikel im Nu umgekippt. Zu diesem Zeitpunkt fluchten die Kämpfer auf beiden Seiten, vereint in gemeinsamer Sache gegen die Söldner.
Während die Kämpfe sich verlagerten, stieg Lysaer eine unbewachte Treppe hinauf, die von einem wilden Durcheinander aus niedergerissenen Flaggen und Leopardenbannern übersät war. Von seinen rechtschaffenen Absichten angetrieben, blieb er kurz stehen, um einen Bauernburschen zu besänftigen, der einen zusammengeballten Fetzen einer Fahne auf die klaffende Wunde in seiner Wange preßte. Ein paar Worte, eine Berührung, ein kleiner Scherz, und der Knabe konnte wieder lächeln. An seinem Gesicht würde dennoch eine Narbe zurückbleiben, die ihm keine Komplimente seitens der Barmädchen einbringen würde. Ein weiterer Schrecken, der den so oder so schon gewaltigen Berg vergrößerte. Ohne sich der Tatsache bewußt zu sein, daß seine Feindschaft durch einen Fluch genährt wurde, erreichte Lysaer die obere
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