Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
zuzustimmen. »Steiven hat nur einen Ehrgeiz, und der veranlaßt ihn, die abgetrennten Köpfe sämtlicher Gildemeister von Etarra zu sammeln.«
Sethvir warf die Hände hoch. »Ein blutiger Krieg ist immer noch eine Spur besser, als daß der letzte s’Ffalenn in einer dunklen Gasse durch einen Schwerthieb zu Tode kommt!« Dann verstummte er, als ihm endlich bewußt wurde, daß Luhaine noch immer nicht informiert war; die veränderten Prioritäten, die ihnen durch die verschrobene Verbindung zwischen dem Nebelgeist und der Menschheit aufgezwungen worden waren, würden auch seine Ansichten beeinflussen.
Währenddessen trat Asandir in einer Geste scharfer Züchtigung seinen Schüler in die Rippen, dem offenbar der Sinn nach Schnarchen stand. »Arithons Tod würde deine Prophezeiung der Schwarzen Rose fehlgehen lassen, vergiß das nicht.«
»Ihr wollt Davien zurückhaben?« Der Wahnsinnige Prophet öffnete in märtyrerhaftem Trotz die alkoholgetrübten Augen. »Das ist eine verdammt idiotische Logik, nachdem sein Verrat Eure Hohekönige überhaupt erst zu Fall gebracht hat.«
Aufmarsch
Schatten überzogen die Straßen Etarras und dämpften das Licht der Fackeln in ihren verrosteten Haltern zu einem schmutzigen Orange. Der Kampf, die Schreie, das Rasseln der stählernen Waffen und Gnudsogs schroffe Flüche klangen unheimlich dumpf, als würde die unnatürliche Dunkelheit der schweren Luft die Struktur nasser Baumwolle verleihen. Isoliert von den Rempeleien des Pöbels, eingebettet gleich einem wertvollen Schatz inmitten der schnell voranschreitenden bewaffneten Eskorte, betrachtete Diegan seinen Bundesgenossen, der erst vor kurzer Zeit den großartigen Absichten der Bruderschaftszauberer entsagt hatte.
Lysaer sah blaß und zornig aus: bleiche Haut, goldenes Haar, blutleere Lippen. Sein Gesichtsausdruck blieb so distanziert wie polierter Marmor, während sie an dem Diener eines reichen Mannes vorbeigingen, der von einigen Schlägern aus der Barackensiedlung tyrannisiert wurde.
Das Rund seiner Nasenlöcher blieb vollkommen ruhig trotz des Gestanks, der von den Abwässern aufstieg, die über das Pflaster liefen. Seine langen, hellen Brauen zuckten kein einziges Mal angesichts der Mittel, mit denen die Eskorte sich einer randalierenden Gruppe Maurer annahm, welche die Tür eines Metzgers aufgebrochen hatte, um Hackmesser zu stehlen. Fackeln und Hellebarden spiegelten sich in diesen Augen, doch ihre Härte blieb stets unberührt.
Aus einer dunklen, schmutzigen Seitengasse erschollen die flehentlichen Schreie einer Frau. Die gebellten Flüche eines Mannes endeten mit dem Geräusch eines Schlages in weiches Fleisch, und ein Köter rannte hechelnd in die Vorhut, fing sich einen Tritt ein und purzelte jaulend zu Boden. Die vorrückende Garde umrundete eine weitere Straßenecke auf dem Weg zur Stadthalle, und Lysaer trat auf den verwundeten Hund, ohne auch nur einen Blick auf ihn zu verschwenden.
Diegan spannte die geflochtenen Bänder seines Umhangs, als ein Schauer des Unbehagens ihn befiel. »Ist es wahr?« fragte er leise.
Der saphirsplitterscharfe Blick richtete sich verwirrt auf ihn. »Was?« Lysaer blinzelte und schien teilweise wieder zu sich zu kommen. »Ist was wahr?«
Kalte Augen, warme Stimme; Diegan stählte sich. Kein Feigling, trotz seines geckenhaften Äußeren, zwang er sich, die notwendige Frage zu stellen. »Eure Abstammung. Seid Ihr von königlichem Blut? Teilt dieser Parvenü von einem Zauberer tatsächlich Euer Blut als Halbbruder?«
Lysaers Blick ging glatt durch ihn durch. »Würdet Ihr einen Nachkommen, der einer Königin durch Entführung und Vergewaltigung aufgezwungen worden ist, als Euren Verwandten bezeichnen?« Die kleine Lüge kam ihm leicht über die Lippen, schließlich hatte die Flucht seiner Mutter in die Arme ihres s’Ffalenn-Liebhabers nicht einmal ein Jahr williger Liebelei überdauert. Ein Stirnrunzeln verunstaltete Lysaers Züge, als er sich verwundert daran erinnerte, daß er einmal anders gesprochen hatte; daß er in einer anderen Zeit seinen königlichen Vater gedrängt hatte, für das Wohlergehen des Piratenbastards Sorge zu tragen.
Doch dieses Ereignis schien in weiter Ferne zu liegen, losgelöst, als wäre es die Erinnerung eines Fremden. Nun schien sein einstiges Mitgefühl der kindischen Naivität eines Dummkopfs entsprungen, hatte er doch seinen eigenen Untergang herbeigeführt und sein Erbe in Amroth verloren, nur weil er an einer schmerzlichen Wahrheit
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