Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
ernsthafte Bedrohung dar. Die Anforderungen, denen die Bruderschaft nun unterlag, waren so schwerwiegend, daß selbst die Zwangslage in Alestron zweitrangig wurde.
Präzedenzfälle
Unter dem sommerlichen Blätterdach des Westwaldes erntet eine Gruppe des Heeres von Avenor, die abkommandiert worden ist, ihre neugeschaffene Stärke im Kampf gegen jene Barbaren zu erproben, die die Handelsstraßen heimsuchen, die Belohnung für ihre blutbenetzten Schwerter; und achtundzwanzig clanblütige Männer werden gefangengenommen und nach Karfael verschleppt, um dem Richterspruch des Statthalters unterworfen zu werden …
Auf einem sonnengefluteten Hang in den Ländereien Alestrons führt ein Mann in einer staubigen Gelehrtenrobe ein Zündholz an ein Bronzerohr, und ein Funke springt über, der ein gewaltiges Donnern und eine Wolke dichten Rauches hervorbringt; und jammernd bahnt sich ein rundes Steingeschoß seinen Weg, bohrt sich in eine Eiche, zersplittert grüne Zweige wie berstende Gebeine …
Weit weg, in Atainia, erschüttert von dem Schrei gespaltenen Grüns, ausgestoßen am anderen Ende des Kontinents, erhebt Sethvir von Althain sein gramgezeichnetes Haupt und folgt einem Luftwirbel, der noch immer den beißenden Hauch verbrannten Schwefels mit sich trägt; eine jahrhundertealte Versprechen läßt ihm keine Wahl, und er muß Dakar in aller Eile aussenden, die herzogliche Waffenkammer von Alestron ihrer Geheimnisse zu berauben …
8
ERNEUERUNG
Das alte Avenor war nur eine kleine Stadt gewesen. Nach dem Aufruhr nun schon seit Jahrhunderten verlassen, wiesen nur mehr verwitterte Fundamente bröckelnden Gesteins auf die noch von den Paravianern erbaute innere Zitadelle hin, die einst, von runden Festungsanlagen und einer schützenden Mauer umgeben, gleich einem Juwel auf einem Hügel oberhalb der Westküste ruhte. Von dort aus überblickte sie ein weites, flaches Tal, das noch immer von stattlichen Eichen bewachsen allerlei Wild eine Heimat bot. Umschlagsplatz für den Handel und die Verschiffung war, während der Regierungszeit der früheren Hohekönige, der großzügige Hafen von Hanshire, weiter im Süden des Landes gewesen.
Da der derzeitige Statthalter jeder Form einer Allianz mit einem Nachfahren königlichen Geblütes unnachgiebig ablehnend begegnete, konnte der s’Ilessid-Prinz, der gekommen war, den alten Herrschersitz wieder aufzubauen, nicht auf die traditionellen Liegeplätze zurückgreifen. Auch bot die verblaßte Eleganz der paravianischen Ruinen nicht genug Raum für Lysaers Pläne. Er würde etwas Größeres erbauen, eine Stadt, keiner anderen auf dem ganzen Kontinent vergleichbar, gleichsam ein Monument der Veränderung.
Der Sommer begann mit grünenden Wicken, deren Ausläufer die verfallenen Mauern bedeckten, die die Westlandsee überragten, und er endete mit Schlamm, Krach und dem schweren Geruch feuchter, aufgeworfener Erde. Unter strahlendem Sonnenlicht, reflektiert von den Staubpartikeln über der Stadt, oder im trüben Nieselregen, der sich wie ein Schleier grauen Musselins über das Land legte, befahl der Prinz des Westens, die alten, feingemeißelten Megalithen aus ihrer Verankerung zu reißen. Mochten einst auch Paravianer an diesem Ort ihren segensreichen Tanz aufgeführt haben, mochten die verborgenen Geister gehörnter Riathaner diese neue Entweihung bitter beklagen, so mangelte es Lysaer doch an magischer Wahrnehmungskraft, sie zu erkennen. Einst war er in Begleitung eines Bruderschaftszauberers durch die Ruinen einer anderen Stadt des Zweiten Zeitalters gewandert, und jene Erfahrung hatte ihm bewußt gemacht, daß diese Orte einen Weg bewahrten, die alten Mysterien der Erde selbst zu erneuern. Doch obgleich die Furcht seiner stadtgeborenen Gefolgsleute, die diesen Geheimnissen der Vergangenheit abwehrend begegneten, ihn bekümmerte, durfte er nicht zulassen, daß die Gefühle sein Urteil beeinflußten.
Steine, die noch gebrochen und zu Quadern geformt werden konnten, wurden für einen neuen Gebrauch nüchtern und ohne jede Gefühlsregung abgebaut und gelagert. Andere, die der Frost zu sehr beschädigt hatte, solche, die zu hart waren und jene, deren eingemeißelte Zierden zu tief gehauen waren, wurden fortgeschleppt und auf einem kleinen Hügel aufgeschichtet, wo sie bald unter wildwachsenden Kräutern verschwanden. Dorthin zog sich Lysaer zurück, wenn es ihn nach Einsamkeit verlangte. Dort gab er sich seinen Gedanken hin oder übte den Umgang mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher