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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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ererbten Gabe des Lichts.
    Selbst die unheimliche Disharmonie, die über diesem Friedhof gebrochenen blauen Granits lauerte, trieb ihn nur weiter an, seiner selbstgewählten Verpflichtung treu zu bleiben. War der Herr der Schatten erst tot, würde neuer Friede die Splittergruppen überall im Land wiedervereinen. Dann würde das alte Wissen, das aus Gründen der Zweckmäßigkeit derzeit unbeachtet bleiben mußte, um so strahlender wieder aufleben.
    Während die tiefstehende Sonne des späten Nachmittags die Brecher mit ihrem Schein überzog, hob Lysaer sein Kinn von den stützenden Händen und strich sich das stumpfe, schweißfeuchte Haar aus der Stirn.
    Die Stimme, die seine Zufluchtsstätte störte, erklang erneut, aufgebracht ertönte sie von der anderen Seite des unordentlichen Steinhaufens. »Seine Hoheit ist dort oben und nirgends sonst. Lord Diegan hat darauf bestanden, und er kennt die Stimmungen des Prinzen so gut, als wären sie Brüder.«
    Flaute begleitete die zweifelnde Antwort eines anderen Mannes. Lysaer blieb keine Wahl, als sich mit der unzeitigen Störung abzufinden, und er erhob sich. Reflektiertes Sonnenlicht blitzte auf den Troddeln an seinem Ärmel auf, als er sich von den zerdrückten Flechten auf seiner Hose befreite und winkte, um den Männern zu zeigen, wo er sich befand.
    »Euer Hoheit?« Ein Feldwebel in dem lohfarbenen Wappenrock der Garnison von Karfael zuckte zusammen und blickte überrascht zu ihm auf. »Wer hätte das gedacht. Was gibt es an diesem Ort außer gruseligen alten Skulpturen und Steinen, in denen nicht einmal die Möwen nisten wollen?«
    Als sein Besucher mit den Schultern zuckte, um das Gewicht seines Kettenhemdes vor dem Aufstieg gleichmäßig zu verteilen, rief Lysaer. »Bemüht Euch nicht, ich komme herunter.«
    Zwar hatte er keinen Staatsbesuch erwartet, doch vermochte seine zwanglose Kleidung so oder so nicht, Zweifel an der Bürde hochherrschaftlicher Verantwortlichkeit zu wecken, die auf ihm lastete. Sein Wams war aus sommerlich leichter Seide, goldgeziert und mit einem unauffälligen Rangabzeichen versehen. Aus der Nähe betrachtet, benötigte er weder Krone noch Staat, die Ehrerbietung für seine Person einzufordern. Blaue Augen von strahlender Aufrichtigkeit und eine majestätische Haltung, von Kindesbeinen auf erlernt, wie sie kein noch so kostspieliger Putz zu ersetzen vermochte, offenbarte auch den Blicken des unbedarftesten Fremden den Prinzen in dem Mann.
    Überwältigt von der unerwarteten Bewunderung, die ihn plötzlich bewegte, fühlte Karfaels vom Straßenstaub verdreckter Feldwebel sich bemüßigt, den Prinzen mit einer Verbeugung zu ehren.
    »Bitte, erhebt Euch.« Höflich besorgt bot ihm Lysaer seine Hand. »Der Tag ist zu heiß für Formalitäten. Vergebt mir meine Ungeduld, doch hat Euer Statthalter mir die Truppe Bogenschützen gewährt, deren Dienste ich erbeten hatte?«
    »Die Bogenschützen gewiß, Euer Hoheit.« Eingehüllt in seine schmutzige Marschbekleidung brachte des Prinzen direkte Berührung den Feldwebel in Verlegenheit. »Euer Quartiermeister weist ihnen gerade jetzt eine Baracke zu. Mein Hauptmann erwartet Euch mit Neuigkeiten aus dem Norden und einem Geschenk, das der Statthalter Euch mit besten Grüßen zukommen läßt.«
    »Das verdient gewiß Beachtung.« Gefolgt von Diegans Leibdiener schritt er über die gebrochenen Asternstengel, die unter den Kufen der Schlitten zermalmt worden waren, mit deren Hilfe die widerspenstigen Gesteinsbrocken auf den Hügel gebracht worden waren. Jenseits des nun verlassenen Hügels ausrangierter Steine zeigte sich der Schauplatz der Wiedergeburt Avenors in Ockertönen, vermengt mit Schwarz, eine Ansammlung klaffender Wunden im Antlitz der Erde, um die die Arbeitstruppen gleich Ameisen herumkrabbelten. Geräuschvoll sausten die Stachelstöcke der Ochsentreiber nieder, begleitet von Meißelschlägen und den Rufen der Steinmetze, die die Anlage neuer Fundamente leiteten.
    Lysaer blieb stehen, um den Anblick zu genießen. Makellos, in seinem schmucken Wams, das Haar vom Wind zerzaust und doch filigran anzusehen, schien er einer Legende entsprungen zu sein. Zufriedenheit spiegelte sich im Blau seiner Augen, während er seine Blicke über diese Galerie der Träume wandern ließ, die sich vor ihm ausbreitete. In seiner Vorstellung sah er über den zerklüfteten Anfängen die hohen, quaderförmigen Türme, die er aus sandgüldenen Ziegeln errichten würde; über Kreidemarkierungen und Grenzpfosten zeigte

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