Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
ließ. Geschlagen durch die Tiefe seiner Zuwendung konnte sie nichts anderes tun, als seine Bitte erfüllen. Noch ehe er fragte, stimmte sie schon zu: Die Drache würde gen Norden segeln und seine Schmuggelware an Bord nehmen, um dann jede Münze und all die Ballenware an den Ort zu verschiffen, den er wünschte.
»Ich überlasse Euch die Instrumente Anithaels und mit ihnen die ganze Weite des Ozeans. Eure Macht wird alle Grenzen sprengen.« Arithons rasches Lächeln verbarg die kummervolle Erkenntnis, daß ihm die Flucht keinen Ausweg zu bieten hatte. »Mein Geschenk wird Euch die Freiheit von den Küsten schenken, und Raum genug, Eure Erlösung zu finden.«
Dhirken reckte das Kinn vor, betäubt vor Verlegenheit und den Tränen gefährlich nahe. Doch bis auf ihren gesetzten Quartiermeister hatten sich bereits alle von dem Achterdeck zurückgezogen; in einem geradezu unheimlichen Anfall von Feingefühl hatte ihr schlitzohriger erster Maat alle Matrosen wieder an ihre Arbeit zurückgescheucht.
Hocherfreut darüber, wie leicht sich Arithon hatte verleiten lassen, dem dringenden Appell der Bruderschaft nachzukommen und die Waffenkammer Alestrons zu untersuchen, erhob Dakar keinen Einspruch dagegen, die Halbinsel von Osthalla zu überqueren. Auf dieser Strecke herrschte dichter Verkehr, und es gab genug Herbergen, Gasthäuser und Poststationen zwischen den Städten auf ihrem Weg. Wenn sie einen Händler baten, sie auf seinem Wagen mitzunehmen oder sich Mietpferde nahmen, konnten sie die Reise binnen vierzehn Tagen schaffen.
Dakar kaute an einem Ende seines Bartes, um sein zufriedenes Lächeln zu verbergen. Während Fischer in ihrem nach Kabeljau stinkendem Ölzeug über das Beiboot der Drache schimpften, das den Landungssteg blockierte, stolperte er, dem Prinzen dicht auf den Fersen, über die wackeligen Kais von Farsee.
Arithon hatte sich, für einen Mann, der fünf Tage lang kein Bett gesehen hatte, unverschämt vergnügt von Dhirkens Matrosen verabschiedet. Mochten die Docks mit ihrem Fischgeruch, den Ausdünstungen von Wrackteilen und den hektisch herumfliegenden Möwen ihn auch an seine heimatlichen Küsten erinnern, an jene Zeit, in der er Magier und Erbe eines Piratenkönigs gewesen war, so zeigte er doch keinerlei Anzeichen von Sentimentalität. Wie jeder andere Seefahrer brauchte er ein Bad, und all sein Besitz bestand aus den zusammengerollten Seekarten aus Sethvirs Archiv, die gemeinsam mit der Lyranthe über seiner Schulter lagen. Seine vernarbten Handgelenke verbarg er unter Seemannsschmuck, den er aus den Überresten seines Hemdes geflochten hatte. Die Finger seiner beiden Hände waren von der Überbeanspruchung durch das Salzwasser geschwollen.
Auf Dakars zweifelnden Blick erklärte er ehrlich gepeinigt: »Nein, ich kann nicht für unseren Unterhalt spielen. Aber es ist kein Schaden entstanden, der nicht innerhalb von drei Tagen heilen würde. Während wir warten, werde ich einen Schneider suchen, der ein Auge für gutes Leinen hat.«
Vor dem Hintergrund des frühmorgendlichen Himmels wich Dakar einem verknoteten Fischernetz aus, das von den Matrosen einer Schaluppe die Docks hinuntergezerrt wurde, und blieb, die Hände in die Hüften gestemmt, stur stehen. »Das ist eine großartige Idee, wenn man davon absieht, daß Ihr nicht eine Münze besitzt.«
Arithon ließ ein verschlagenes Grinsen aufblitzen. »Nun, deine Taschen klimpern vielsagend genug, mir zu sagen, daß Dhirkens Matrosen ein lausiges Händchen beim Würfelspiel hatten. Da du dem Bier abgeschworen hast, spricht doch nichts dagegen, etwas von deinem Geld für ein neues Hemd für mich einzusetzen. Die Silberknöpfe meines alten Hemdes werden ausreichen, für unsere Unterkunft zu zahlen, vorausgesetzt, du zettelst nicht wieder irgendeinen Aufstand in einer Taverne an.«
Vorsichtig darauf bedacht, sich nicht gar zu einverständig zu geben, stieß Dakar eine Beschimpfung hervor. Während der Reise nach Alestron würden sie einander ständig nahe sein, und auch wenn Arithon seine magische Wahrnehmungsfähigkeit verloren hatte, so war das doch kein Grund, seiner unermüdlichen Beobachtungsgabe einen Grund zum Mißtrauen zu liefern.
Achtzehn Tage vergingen.
Dakar empfand die Notwendigkeit, ständig List anzuwenden, ebenso ermüdend wie all die anderen Härten des Reisens, die er zutiefst verachtete. Das Postpferd, auf dem er für den Rest der Reise zu hocken gedachte, war bei weitem nicht der stinkfaule Gaul, für den er bezahlt hatte.
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