Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
eines Diebes zu beenden, der sein Leben damit verbracht hat, Wagenzüge auszurauben.« Er winkte seinen Offizieren, und seine Panzerhandschuhe glitzerten wie Juwelen im Sonnenschein. »Ergreift sie.«
Zwei Hauptmänner stiegen auf seinen Befehl hin aus dem Sattel.
In der Not nahmen sie ihren Pferden die Zügel ab, um die Gefangene zu fesseln.
Die gnädige Frau Maenalle hatte keinen Blick für die näherrückenden Männer übrig. Geboren, um als rechte Hand der Prinzen des Reiches zu dienen, nahm der Stolz, der sich in ihrer Haltung ausdrückte, beinahe physische Kraft an, wohlbemessen, dem Mann von königlichem Blute die Stirn zu bieten. »Überlegt Euch gut, was Ihr tut! Veranlaßt meinen Tod, und Ihr brecht den Gasteid, den Ihr in Freundschaft an meinem Herd und Tisch geschworen habt.«
Über die Köpfe seiner zögernden Offiziere hinweg, rief Lysaer: »Eher werde ich eidbrüchig, bevor ich zulasse, daß die Gerechtigkeit des Reiches ihr Fundament verliert. Vorgespiegelte Höflichkeiten vermögen gewiß nicht die Strafe zu mildern, die Ihr für Eure Tat verdient habt.« Bedauernd, doch unversöhnlich, fügte er hinzu: »Wer bin ich, meine persönliche Ehre dem Schutz meines Volkes vorzuziehen? Sie sind der Zauberei nicht mächtig, sind abhängig von meiner Gabe, um ihr Leben zu schützen. Sind die Menschen in Rathain etwa weniger hilflos gegenüber einem Zauberer, der sich dem Bösen zugewandt hat?«
Ungebrochen begegnete Maenalle seinen Worten mit eisigem Schweigen.
Und noch immer zauderten die Offiziere. Erst nach einem scharfen Befehl ihres Herrschers erinnerten sie sich ihrer Pflichten.
Die ältere Frau wehrte sich nicht. Selbst als sie ihre schmucklosen Hände ergriffen, sie hinter ihrem Rücken zusammenrissen und mit den ledernen Zügeln fesselten, rührte sie sich nicht. Während all ihrer Taten, sogar, als sie ihr das goldene Sternenbanner vom Wams rissen, war der Blick der gnädigen Frau unverwandt auf Lysaers Gesicht gerichtet.
Erst als die Männer fertig waren und sie vor den Hufen des königlichen Rosses gewaltsam auf die Knie zwangen, sprach der Caithdein seine letzten Worte. »Hütet Euch, Eidbrüchiger. Die Autorität meines Amtes wird durch die Zauberer der Bruderschaft an meinen Enkelsohn übertragen werden. Tysans Clans werden Eurem Geschlecht auch weiterhin die Treue halten, doch Ihr seid ein falscher Prinz, Ihr habt unseren guten Willen verspielt. Von diesem Tag an sollt Ihr in jedem Schatten einen Feind erblicken, Gift in Euren Kelchen finden und ein Messer an Eurer Kehle. Mein Leben habe ich hingegeben, damit sie erfahren, was aus Euch geworden ist: kein Retter, sondern ein Sklave der üblen Machenschaften des Nebelgeistes.«
Lysaer betrachtete die Frau, die gefangenzunehmen er befohlen hatte, während eines kurzen Zeitraums mitleidvollen Schweigens. Dann sagte er: »Zu Eurem Unglück, tapfere gnädige Frau, habt Ihr Euer Leben umsonst geopfert, denn Ihr irrt. Ich gehe als Verteidiger des Friedens in diesen Krieg gegen einen Mann, der ohne ein Gewissen geboren wurde. Die Großen dieses Landes, zu denen auch Ihr gehörtet, werden uns alle vernichten, sollten sie je dem verderblichen Einfluß unterliegen. Mag auch einst die Bruderschaft die Krone verliehen haben, fordere ich sie heute doch um des Wohls all der Menschen willen zurück.« Ohne jeden Ausdruck des Triumphes ergriff er seine Zügel. »Welchen Wert haben Traditionen und wozu taugt das Gesetz, wenn die Anwendung dieser Tugenden nurmehr dazu dient, Unschuldige in Gefahr zu bringen? Ich kann nur meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß eines Tages, wenn erst die üblen Pläne des Herrn der Schatten vereitelt sind, Eure Clans herbeikommen, mich willkommen zu heißen.«
»Sie mögen überleben, um eines Tages Euren Nachfahren die Treue zu schwören«, entgegnete Maenalle. »Wenn aber mein Leben unter dem Schwert des Scharfrichters zu Isaer sein Ende findet, so verspreche ich Euch bei meinem Herzblut, daß sie Euch niemals anerkennen werden.«
Wie ein altersschwacher Wandbehang riß die Vision entzwei, löste sich in einer Wolke verwehten Staubes auf. Sethvir kauerte neben dem Fenster, die schmalen, tintenverschmierten Finger in seinen Bart verkrallt. Zutiefst bekümmert sagte er: »Lysaer war Prinz genug, seine Männer im Zaum zu halten. Sie haben sie nicht weiter mißhandelt, nur gefesselt, aber sie haben sie unter Bewachung auf einem Eselkarren präsentiert, damit sie formell unter Anklage gestellt werden konnte.«
Mit
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