Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
nach.
Übellaunig genug, an den Knoten in seinem Bart zu zerren, griff Sethvir unwillig den Faden ihrer Unterhaltung wieder auf. »Ich weiß es nicht. Zu diesem Zeitpunkt war ich auf der Suche nach Kharadmon und zu tief in dem Zustand der Trance gefangen, den Ereignissen ohne Verzögerung zu folgen. Welches Unheil auch immer auf uns zukommt, es wird sich früh genug zeigen.«
Dieses Mal entging Asandir der verschwindend kleine Haken im Gewebe von Sethvirs Erklärungen nicht. »Kharadmon«, platzte er heraus, während sich die Besorgnis durch seine Lebenskraft fraß. »Das also hat dich so beunruhigt! Bei Aths unendlicher Gnade, was hast du Schreckliches herausgefunden?«
Sethvir schoß aus seiner Ecke hervor. »Das genau ist das Problem«, flüsterte er aus dem Schatten des Raumes heraus, während sein Geist sich wieder auf die Reise in die endlosen Gefilde des Himmels jenseits des Fensters begab. »Ich habe nicht die geringste Spur von Kharadmon entdecken können.«
Asandir stützte die Hände mit gespreizten Fingern auf dem Tisch ab, als würde der Boden unter seinen Füßen erbeben. »Nichts« resümierte er. Ohne ein Echo verhallte dieses eine, schreckliche Wort im Staub und der stickigen Hitze des Raumes, der von dem allgegenwärtigen Geruch von Moder, Pergament und dem besonders scharfen Aroma der über viele Jahre hier benutzten Tinte erfüllt war. Der Wind, der von den Hügeln herabwehte und frische Luft mit sich trug, brachte keine Erleichterung. Nicht einmal die festen, magisch versiegelten Mauern des Turmes vermochten das Unbehagen der Zauberer zu lindern.
Wenn Kharadmon einen Fehlschlag hatte hinnehmen müssen, so waren ihre Hoffnungen, den Fluch des Nebelgeistes brechen zu können, mit einem Schlag zerstört. Die Prophezeiung der Schwarzen Rose, die die Wiederherstellung der Bruderschaft in alter Zahl mit dem Ereignis der bereitwilligen Thronübernahme Arithons verknüpfte, würde vor der Zeit nichtig sein, und das Schicksal hätte keine Möglichkeit mehr, sie zu realer Kraft erblühen zu lassen. Zu schrecklich der Gedanke, die ganze Zukunft könnte an jenem Tage bereits zerstört worden sein, an dem die beiden Prinzen durch Magie zu ewiger Feindschaft verdammt worden waren, zu zerrüttet, eine weitere Pein in erzwungener Stille zu erdulden, stand Asandir auf und starrte seinem Bruder, der ihm den Rücken zugekehrt hatte, zwischen die Schulterblätter.
»Laß uns ein Zeichen setzen, das den Himmel selbst mit Feuer erfüllt«, schimpfte er zornig. »Wo auch immer Kharadmon sein mag, welches Übel ihn an der Heimkehr hindert, ich werde die Energie aus dem Herzen der Erde schälen und einen Zauber reinweißen Lichtes wirken, um ihn nach Hause zu führen. Anderenfalls hätten wir der Menschheit nichts weiter gegeben, als eine Heimat inmitten der verschollenen Grazie der Paravianer, der nichts anderes als Zerstörung und Ruin geblieben ist.«
»Wir könnten den Energiefluß der Sonnenwende nutzen, um Wards zu setzen, aber das wird gewiß nicht leicht werden.« Sethvir entdeckte eine Ameise, die in einer Suppenschüssel in der Falle saß, und schob sie mit einer Berührung der Freiheit entgegen. »Ich hasse es, eine so schwierige Prozedur auf mich nehmen zu müssen, wenn ich keinen Tee mehr habe.«
Asandirs Mundwinkel zuckten. »Ath, du solltest es wirklich besser wissen. Bin ich schon jemals hier aufgetaucht, ohne dir einen frischen Vorrat mitzubringen? Dies muß in tausend Jahren schwerer Prüfungen das erste Mal sein, da du es versäumt hast, dir im voraus Gewißheit über den Inhalt meiner Satteltaschen zu verschaffen.«
»Ich war beschäftigt«, tadelte Sethvir versonnen und betrübt gleichermaßen. Längst war die Zeit vorbei, in der er hatte dem Müßiggang frönen und Erdbeerstauden und Blumen pflanzen können, um sie durch seine Magie außerhalb ihrer Saison zur Blüte zu bringen.
In den weißen Marmorwänden des Kellergewölbes des Althainturmes gab es keine Fenster; und doch, am Abend der Sommersonnenwende, als das verhaltene Spiel der Erdkräfte über dem Kraftkreis in dem rauchgrauen Onyxboden schimmerte, vermengte sich schwerer Wiesenduft mit dem sturmgeladenen Geruch von Ozon. Es schien, als würde die Essenz des frisch eingebrachten Heus die Energien auf ihrem Weg durch die antiken Runenkreise begleiten.
Barfuß, eingehüllt in eine knöchellange Robe, deren Saum ausgefranst und abgenutzt war, stellte Sethvir Bienenwachskerzen in die schauerlichen schwarzen Statuetten, die vom
Weitere Kostenlose Bücher