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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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als sie die geschlossene Wunde in Breiumschläge wickelte, sie schiente und mit sauberen Tüchern verband.
    Die Kerzen waren heruntergebrannt. In dem Schatten, der mit jedem Luftzug in Bewegung geriet, richtete sich Elaira mit fahrigen Bewegungen auf. Der Geruch der Wachskerzen in den magischen Kreisen drang in ihre Nase. Über alle Maßen müde und so erschöpft, daß sie keines klaren Gedankens mehr fähig war, tastete Elaira nach ihrem Strohbesen und fegte die große Achse hinfort, um die herum die rituellen Kreidelinien die Energien eingefangen hatten.
    Noch immer in der Trance und dem feinen Gitterwerk ihres Kristalls gefangen, ergab sich Elaira ihrem magischen Blick. Als die eingefangenen Mächte und die schützenden Banne sich lösten, erklang über dem Pulsieren des Blutes in ihren Ohren ein Geräusch wie von zerreißendem Gewebe. Die Siegel zerbrachen, und der in ihnen eingebundene Geist erlangte die Freiheit zurück.
    Sekunden zogen dahin, Sekunden unsicherer Furcht, der Leib könnte sich der Mühe verwehren, könnte sterben. Dann endlich bewegte sich der Junge auf dem Tisch stöhnend.
    Elaira fühlte, wie der Atem ihrem Körper entströmte. Benommen fiel sie auf die Knie. Dieses Mal erklang keine Musik, ihre Pein zu lindern. Sie war zu erschöpft, sich zu erheben, zu müde darauf zu beharren, daß der Kranke sich ruhig verhalten sollte, bis sie ihm den notwendigen Schlaftrunk hätte anrühren können. Die Zauberin barg ihr Gesicht in den gefalteten Händen, während ein krampfhaftes Zittern ihren Leib schüttelte.
    Der Bursche konnte noch immer sterben. Sie weinte vor Kummer, als die Erschöpfung eine tiefe Kluft zwischen sie und die notwendigen Schritte grub, ein Vakuum, das all ihre Energien absaugte.
    Zu spät, zu leise, erklang das begnadete Spiel der Lyranthe erneut über die Spannen regloser Luft. Elaira kämpfte gegen die Müdigkeit, wollte sich erheben und den Klängen gerecht werden.
    Schwäche zerrte sie erneut zu Boden. Das große Gewebe der Harmonie schien weit jenseits ihres Zugriffs entschwunden zu sein, gedämpft und blechern nur aus großer Ferne herüberzuhallen.
    Unter dem Nebel drohender Bewußtlosigkeit lauschte sie der Weise des Barden und verstand: seine Melodie sprach nicht zu ihr. Der unwiderstehliche Ruf jedes einzelnen Akkords war darauf abgestimmt, Leid und Schmerz zu lindern und ihren Patienten in den Schlaf zu wiegen.
    Elaira kämpfte mit aller Gewalt gegen die honigsüße Verlockung, alle Bande der Aufmerksamkeit loszulassen. Arithon durfte nicht allein die Last tragen, die geschwächten Lebenszeichen des Jungen zu schützen. Es würden noch Stunden vergehen, ehe sein Leib sich von dem Durchfluß großer, erzwungener Heilung erholt hätte. Doch all ihre Gedanken rauschten unwiederbringlich hinfort. Von den Anforderungen kanalisierter Mächte geschlagen, brach Elaira auf dem kalten, gemaserten Bretterboden zusammen, hinabgeschleudert in das dunkelste Tal des Vergessens.
     
    Das fiebrige Flackern einer vereinzelten Kerzenflamme war der erste Vorbote einer mit langsamen Schritten zurückkehrenden Bewußtheit. Ihre Lider öffneten sich. Noch immer in einem Strudel der Verwirrung treibend, klammerte sich Elaira an diesen winzigen Lichtpunkt. Wie ein sonderbares, unliebsames Dröhnen tiefer Sorge empfand sie die Stille, das Fehlen einer Melodie.
    Als ihre Sinne wieder weit genug geordnet waren, ihren Verstand zu stützen, setzte sie die Details ihrer Umgebung wie ein Puzzlespiel zusammen. Der Sturm hatte sich gelegt, nur Regenschauer gingen noch auf die Zedernholzschindeln ihres Daches nieder. Die Fensterläden an ihrem Schlafzimmerfenster standen offen und ließen das Donnern der Brandung unter dem rauhen Wind herein. Jeder aufsässige Windstoß führte den Geruch von Salz, Treibholz und nassem Laub mit sich.
    Eine vereinzelte Grille zirpte in ihrem Schlupfwinkel hinter der Kleidertruhe. Verderblich erklang ihr Lied, wie eine grobe Belästigung, nach dem meisterhaften Spiel über Bunde und Stege, das ihre Magie zu neuen Höhen geführt hatte.
    Gewiß war es besser, wenn sie sich nicht allzu detailliert an diese Partnerschaft erinnern würde; krampfhaft schloß Elaira die Augen, doch sie konnte nicht verhindern, von dem stechenden Schmerz des Verlustes durchbohrt zu werden.
    Das zermürbende, dumpfe Pulsieren überanstrengter Nerven ließ allmählich, Glied für Glied, nach. Nun erst bemerkte sie, daß sie halb ausgestreckt auf dem Rücken auf ihrem Bett lag. Die Wärme neben ihrer

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