Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
eines Felsüberhangs, rammte Pesquil sein Messer in die Scheide und kroch vorsichtig rückwärts. Wie stets, wenn das Blut in seinen Adern kochte, klebten die passenden Flüche kalt auf seiner Zunge.
»Der athvergessene Berg steckt voller Fallen«, sagte er. »Ich hatte nichts anderes erwartet, aber nun habe ich den Beweis.« Mit den Fingern siebte er die verstreuten Gesteinssplitter im Moos neben seinem Knie. »Diese Gesteinssplitter sind das Werk eines Meißels. Steiven war schon schlimm, aber bei der Rache Dharkarons, sein Sohn, Rotbart, ist ein wahrer Dämon.«
Ein Stöhnen erklang im Zwielicht, ausgestoßen von einem Mann, der ausgebreitet am Fuß eines Hanges lag, wie festgenagelt durch den Schmerz seiner gebrochenen Knochen. Ob zu seinen Verletzungen auch eine weit gefahrvollere Blutung zählte, wagte niemand in Erfahrung zu bringen. Die gesunden Kundschafter an Major Pesquils Seite hatten zu viele bittere Erfahrungen hinter sich, als daß sie noch der Sorge nachgeben würden, die in ihren Herzen wühlte.
Kaum hob sich sein eisengraues Haar von der Düsternis in dem Fichtendickicht ab, als Pesquil sich wieder erhob. »Gebt meine Anordnungen weiter. Die Männer sollen sich einen Weg hinunter zu den Verwundeten suchen, aber sie sollen Seile benutzen, die sie an blanken Felsen befestigen. Paßt auf, wo ihr hintretet. Diese Rinnen sind natürliche, tödliche Fallen, die geradezu nach einem kräftigen Steinschlag schreien. Wir sollten nicht so dumm sein, einen auszulösen.«
Die Kundschafter machten sich bereit, loszumarschieren.
»Eines noch«, rief Pesquil ihnen nach. »Jeder Mann, der bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht geborgen werden konnte, bleibt, wo er ist. Jedes saubere Gebiet, das wir gefunden haben, wird bewacht. Ich will nicht, daß sich die Barbaren einschleichen können, um uns während des Rückzugs in der Dunkelheit zu überfallen.«
Handsignale antworteten ihm; seine Männer waren tüchtig, und die wenigen, die in der Vergangenheit zum Widerspruch geneigt hatten, waren längst diszipliniert worden. Alle Kundschafter, die in der Kopfjägerliga Dienst taten, wußten nur zu gut: Nur wer Anordnungen Folge leistete, blieb am Leben.
Talkluft war ein Gebiet, das keine Pausen erlaubte und selbst die geschicktesten Männer erschöpfte. Die Fallen, die jenen Gruppen den Weg versperrten, die darum bemüht waren, den Verwundeten zu Hilfe zu kommen, waren nicht dazu gedacht, zu töten, sondern das Opfer zum Krüppel zu schlagen.
»Sie haben das ganze Gestrüpp durchlöchert«, berichtete ein erschütterter Veteran, der gemeinsam mit den Krankentragen in der Sicherheit des Lagers eingetroffen war. Ihm folgten vor Schmerzen keuchend die Verwundeten und jene Männer, die geholfen hatten, ihre gefallenen Kameraden zu bergen, die von angespitzten Holzpflöcken durchbohrt waren oder deren Beine bis auf den Knochen aufgeschlitzt waren, soweit die Knochen selbst nicht ebenfalls zerschmettert waren.
Wie poliertes Elfenbein leuchteten die Gipfel über der Schwärze im Tal im Mondschein. Gebeugt im höllischen Flakkern der Fackeln, entdeckte Pesquil seine besten Kundschafter unter dieser ersten Gruppe der Verwundeten. Mit ergrimmter Duldsamkeit betrachtete er das Leiden jedes einzelnen Mannes, ehe er einige Anordnungen bellte, laut genug, die umstehenden Soldaten aufspringen und eilends nach einem Garnisonsheiler suchen zu lassen, der sich um die Verletzten kümmern sollte. »Jeder vom Stadtleben verweichlichte Ulan soll sich ansehen, welche Opfer ein Kampf gegen die Barbaren Rotbarts fordert. Laßt sie die Schreie der Verwundeten hören, bis sie zittern, denn wenn sie erst dem Herrn der Schatten auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen, so wird ihr Leiden tausendmal schlimmer sein.«
Wogen des Zorns brauten sich rund um die Lagerfeuer zusammen. Es gab zu wenig Holz im Lager, und die Köche konnten kein Brot backen; die Backöfen wurden nicht aufgebaut, und die Männer mußten trockene Biskuits und ledrige Käsescheiben hinunterwürgen. Über die Gespräche und den gemessenen Schritt der Wachen hinweg, untermalt von dem Schnauben der Pferde, die den Nahrungsmangel beklagend mit den Hufen scharrten, und dem Muhen der Ochsen, teilte sich den Männern die heftige Sorge ihrer Offiziere mit. Dann, gleich einem furchterregenden Alptraum, erklangen die Schreie, als tiefe Wunden ausgebrannt und Knochen zum Schienen gerichtet wurden. In Bruchstücken hallten die Klagelaute von den steilen Klippen wider. Holzrauch
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