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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Schmerzen begannen Morriels gekrümmte Finger zu zucken. Mit konzentriertem Blick überdachte sie den Inhalt jener letzten drei Kugeln in der Truhe, deren Bedeutung auf provozierende Weise im Dunkeln blieb.
    Die erste zeigte den gerissenen Kapitän der Schwarze Drache, der die Hafenspelunken von Hochriff durchkämmte und Matrosen von so üblem Ruf anheuerte, daß selbst eine Schmugglerbrigg zögern würde, sie an Bord zu nehmen.
    In der nächsten war eine zierliche, lackierte Schaluppe zu sehen, die in einer abgelegenen Bucht nahe den Fichtenhainen von Ithilt vor Anker lag. Wie ein totes Blatt lag der Wahnsinnige Prophet zusammengerollt auf Deck und grölte trunken zotige Lieder, die fleischigen Hände um einen Whiskeykrug gekrallt, den er seit seinem Mißgeschick mit dem Faß im Garthsee nicht mehr losgelassen hatte. Der Herr der Schatten war nicht an Bord. Nur die Brandung rollte in der gläsernen Kugel ununterbrochen durch die halbmondförmige Bucht, deren Strand nicht die geringsten Spuren verriet.
    Eine andere Sphäre, deren Bild eine Wegstunde nordöstlich eingefangen worden war, zeigte eine Herde Rehe, die vor irgendeiner Störung flüchtete. Angestachelt von ihrer eigenen Nervosität strich Morriel mit den Fingern über die glatte, kühle Oberfläche des Glases. Vielleicht würden die Bilder der nächsten Nachtwache ihr helfen, den Ursprüngen jener vollkommen unterschiedlichen Ereignisse auf die Spur zu kommen. Die besten Seherinnen des Ordens waren angewiesen worden, sämtliche Ereignisse in der Umgebung der Talliarthe zu überprüfen.
    Dakars Anwesenheit lieferte den Beweis: Der Prinz von Rathain war in sein Königreich zurückgekehrt, und das war ein sicheres Zeichen dafür, daß er einen Konflikt heraufbeschwören wollte. Außerhalb der Einflußsphäre Elairas war Arithons Geist ein Irrgarten dunkler Machenschaften, viel zu kompliziert, ihnen mit einfachen Bildern auf die Spur zu kommen. Was auch immer er plante, die Wegewache bot nicht mehr als peinigende Bruchstücke. Nur selten reichten die Bilder, Einsichten zu erringen, mit denen sie eine Voraussage machen konnte. Wenngleich Elaira beteuert hatte, daß der Prinz derer zu s’Ffalenn seine magische Wahrnehmung verloren hatte, verfügte er doch noch immer über die Disziplin, die seiner Ausbildung zu eigen war. Geschulte Aufmerksamkeit, verbunden mit der Intuition eines Meisterbarden, befähigte ihn noch immer, seine Gefühle unter regloser Stille zu verbergen. Nur selten nahm der Wegefluß seine Anwesenheit in sich auf, um so weniger, wenn seine Bewegungen Rückschlüsse auf seine Absichten erlaubt hätten.
    Verärgert wegen dieses Hindernisses, umklammerten die fleischlosen Hände der Obersten Korianizauberin die Seide ihrer Decke wie Vogelklauen. Wie viele Stunden ihres Lebens hatte sie an dergestalt nutzlose Analysen der verschiedensten Sachverhalte verloren? Als ihr Orden noch über eine gewaltige Machtquelle verfügt hatte, waren solche Ereignisse direkt beobachtet und Ursachen sowie Wirkungen aus der Verkettung ihrer Energieresonanz ersichtlich geworden. Wissen hatte geherrscht, wo es nun nur noch ein stetes Aussieben und allerlei Vermutungen gab. Dhirkens sonderbare Heuer; die unzähligen Pinien, die zu Ithilt geschlagen wurden und die Rehe in Aufruhr versetzten; vielleicht sogar die abgewrackten Fischlogger, all das hätte eine unstrittige Verbindung zu Arithons Plänen aufweisen sollen; oder auch nicht.
    Vielleicht gab es keine Verbindung.
    Morriel preßte die farblosen, blutleeren Lippen zusammen. All die Zweifel, die Fehler, die ermüdenden Meinungsverschiedenheiten, die jede Sitzung begleiteten, wann immer ihr Ältestenrat die verschiedenen Möglichkeiten diskutierte, lieferten einen wahrhaft erbärmlichen Einblick in die Weltengeschehnisse.
    Matt gesetzt von ihren eigenen, kreisenden Gedanken, gepeinigt durch die übermäßig drängende Nachricht aus jenen Siegeln, die vom Tode kündeten, lechzte Morriel förmlich nach dem Luxus dicker, wollener Wandbehänge, um wenigstens in dieser einen Stunde das Sperrfeuer stetiger Störungen zu dämpfen. Irgendwo weinte ein von Koliken geplagtes Baby im Chor mit der zänkischen Stimme einer Matrone des Waisenhauses. Im Hof jenseits des Rundbogenfensters schlug ein Knabe Brennholz für die Küche. In einem tiefergelegenen Geschoß knarrte eine Tür, durch die eine Horde schnatternder Mädchen sich auf den Weg machte, Wasser aus dem Brunnen zu holen. Klirrend arbeitete sich ein Diener durch die

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