Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
Regalbretter der Spülküche, während der Koch mit lautem Krach einen Zinnkübel auf den Boden stellte, um die Wachshülle eines neuen Käserades aufzufangen.
Mühevoll löste sich Morriel aus der Ablenkung all dieser verschiedenartigen Geräusche, während der Wind, der von der Bucht herüberwehte, den Fensterläden mürrische Klänge entlockte, und ein Signalhorn eines Offiziers verkündete, daß eine Galeere den Anker lichtete. Augenlider, so dünn wie blaue, durchscheinende Eierschalen, schlossen sich matt, als sie Zuflucht in der Kunst der Meditation suchte.
Der nagende Schmerz in ihrem Leib peinigte sie sogar in der Sicherheit ihrer eisernen Disziplin. Ruhe brachte ihr keinen Frieden. Statt dessen schmerzten ihre spröden Knochen nur noch mehr, und es verging nicht eine Sekunde, in der die Qual sie verschonte. In jenen Stunden verkam selbst der Schlaf zu einem unerreichbaren Wunsch, und jeder rasselnde Atemzug schien die ganze Weite der Ewigkeit auszufüllen.
Unvermeidlich mußte der Tag kommen, an dem es ihr nicht mehr möglich sein würde, den Frieden einer höheren Bewußtseinsebene erleben zu dürfen. Doch zwischen ihr und ihrer langersehnten Ruhe lauerte auf den verschlungenen Pfaden der Ereignisse hinter jeder Biegung das Schreckgespenst Arithon s’Ffalenn. Gewiß hatte Elairas Liebe sein Herz gefangen, und doch hatte sie sein Lager nicht gewonnen; für ihre Erste Zauberin Lirenda wäre es weit besser gewesen, wäre der Prinz ganz einfach der Lust erlegen.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach den Lauf ihrer Gedanken. Hektisch schrak die Oberste Zauberin, vor Schmerzen blinzelnd, auf, ehe sie mit einem gekrächzten Wispern, einem deutlichen Zeichen ihres Mißfallens, verlangte, den Grund für die Störung zu erfahren.
Der Riegel wurde zurückgelegt, und das Portal schwang knarrend auf und gab den Blick auf ein ovales Gesicht, umrahmt von lockigen Strähnen schwarzen Haares, frei. Lirenda, die Erste Zauberin, trat nicht herein, sondern glitt in einer pfeilschnellen Masse wogender Kleider herab, bis ihre Stirn das gebeugte Knie berührte.
Verblüffend, in manchem Augenblick, der Kontrast zwischen dieser erwachsenen Frau und einem eitlen jungen Mädchen, das einst darum gebeten hatte, zur Lehre in den Orden aufgenommen zu werden. Selbst durch ihr eigenes Begehren gedemütigt, war Lirenda noch immer zu hochmütig gewesen, sich ehrerbietig zu verhalten. Wunderbare Gaben, beinahe zu gewaltig, sie im Zaum zu halten, hatten in ihr geschlummert.
Noch immer lebte der heißblütige Stolz in ihr fort, doch nun war er durch ihre Ambitionen gemäßigt. Der stete Drang zu gewinnen und das einsame Herz, welches einst das Mädchen veranlaßt hatte, sich hochmütig und eitel zu geben, lagen nun beide in den Ketten eiserner Disziplin. Morriel überdachte die Veränderung, befriedigt, daß die Gesetze der Barmherzigkeit erlernbar waren. Aus tiefstem Herzen empfundene Gefühle hingegen waren weniger wünschenswert, bedeuteten sie doch einen Punkt beängstigender Verletzbarkeit für eine Kandidatin, die dazu bestimmt war, die Nachfolge der Obersten anzutreten. Lirenda mußte gestählt sein, wollte sie die schrecklichen Gefahren überstehen.
Stets bereit, jede Spur zu verfolgen, die auf ein Schlupfloch hinweisen mochte, durch den sich ein Fehler einschleichen konnte, durchbrach Morriel tadelnd den Augenblick tiefer Stille. »Du wagst dich weit vor.«
Noch immer demütig auf der Schwelle kniend, zuckte Lirenda mit keiner Wimper, angesichts des Fehlens ihres Ehrentitels. »Ich wage nichts. Es gibt Neuigkeiten, die nur für Eure Ohren allein bestimmt sind.«
»Was unter Aths Himmel soll es geben, das nicht warten könnte?« entgegnete Morriel. »Wenn du gekommen bist, mir etwas Wichtiges mitzuteilen, so sprich.«
Lirenda schwankte keinen Augenblick in ihrer eingefrorenen Haltung.
»Ich bitte Euch, das noch einmal zu überdenken. Die Angelegenheit ist zu wichtig, sie ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen zu besprechen.«
Weit zu feinsinnig, Verachtung oder Anerkennung zu zeigen, schnappte sie mit Fingern, die so dürr wie trockene Zweige waren. »So erhebe dich. Gestatte auch derjenigen, die hinter dir auf dem Korridor wartet, hereinzukommen.«
Als Lirenda empört die Luft einsog, atmete Morriel rasselnd aus. »Hast du gedacht, du könntest dich meinen Wünschen widersetzen? Das ist nicht weise. Die Quelle deiner Neuigkeiten ist mir wohl bekannt. Eine andere Älteste ist aus Tysan angereist, mich zu sehen, ist es nicht
Weitere Kostenlose Bücher