Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
schimmerte in ihrem porzellanfarbenen Haar.
»Meine Oberste«, begann die Kräuterhexe, während der schmutzige Saum ihres Kleides im Rhythmus ihres angsterfüllten Zitterns erbebte. »Eine Entscheidung von größter Bedeutung fiel in meine Hände, und ich war gezwungen, eine Wahl zu treffen. Für diese Tat gewissenloser Eigenmächtigkeit, ergebe ich mich Eurer Gnade. Ich schloß einen Handel mit Prinz Lysaer s’Ilessid. Im Austausch für das Geheimnis, das seines Halbbruders Wirken zu Merior umgibt, hat er bezeugt, daß der Große Wegestein unseres Ordens nie wirklich verloren war.« Mit einer Erregung, die zu zügeln ihr nicht länger möglich war, schloß sie: »Das Juwel hat keinen Schaden erlitten. In sicherem Gewahrsam liegt es nun in den Händen der Bruderschaftszauberer im Althainturm.«
Morriel erhob klauenförmige Finger, einen markerschütternden Schrei zu ersticken. Diese Neuigkeit war von immenser Bedeutung, offenbarte sie doch nach langer Zeit den Verbleib des verschwundenen magischen Kristalls. Erregt von einem Strom reinster Freude nach ermüdenden Jahren beschränkter Macht, streckte die Oberste ihre zitternde Hand aus und zeichnete ein Siegel des Segens über die im Staube kniende Älteste. »Deine Eigenmächtigkeit sei dir vergeben. In der Tat, du hast deine Sache gut gemacht.«
Diese Nachricht barg große Hoffnungen. Konnten sie den Stein zurückerringen, so würden nicht allein die üblen Launen ihres Leibes wieder ins rechte Lot gerückt werden, bis die Prüfungen ihrer Nachfolge gemeistert wären, sondern all ihre Macht, zerstörerische Stürme zu bezwingen und Seuchen zu bannen, mochte wiederhergestellt werden. Selbst die leidvollen Beschränkungen, denen sie durch die Bruderschaft der Sieben stets unterworfen waren, mochten bald der Vergangenheit angehören.
Berauscht von der eigenen Hochstimmung blickte Morriel ihrer Ersten Zauberin in die Augen.
Die erhitzte Röte, die die verblüffenden Neuigkeiten hinterlassen hatten, war nicht allein Zeichen heiterer Pflichtbeflissenheit, vielmehr verbarg die Tünche ihrer unbefleckten Haltung einen Anfall unverhüllten Zorns.
Diese merkwürdige Reaktion entging der Obersten nicht. Bewehrt mit forschender Energie, zu höchster Wahrnehmung getrieben durch den magischen Kristall, mit dem sie im Geiste noch immer verbunden war, bohrte sich ihr prüfender Blick direkt hinein in ihre Erste Zauberin, dem Verlauf abweichender Gedanken zu folgen. Wie ein Hammerschlag auf massives Felsgestein folgte ihrer Suche die Erkenntnis. Lirendas Unbehagen entstammte ihrer persönlichen Enttäuschung darüber, daß das Wissen um das Versteck des Großen Wegesteins durch eine Gefährdung des flüchtigen Königssprosses zu Merior erkauft worden war.
Erschreckend der Beweis, daß die Faszination, die Arithon s’Ffalenn auf die Kandidatin für den Posten der Obersten ausübte, in der Tat tief genug war, ihren Blick für die Geschehnisse der Welt dem Gleichgewicht zu entreißen.
Gehässig vor Mißfallen, blickte Morriel aus zusammengekniffenen Augen gleich schwarzen Kieseln ihre Erste an und schnappte sogleich befehlend:
»Erste Zauberin, ich ordne an, daß du den Kraftstein von Skyron zu Rate ziehst. Du wirst Atainia verlassen und einen großen Kreis von einhundertundacht Ältesten zusammenstellen. Deine Aufgabe wird es sein, Sethvir zu konfrontieren und unseren Großen Wegestein zurückzuerringen. Solltest du aber hier fehlen und mit leeren Händen zurückkehren, so magst du dich selbst deines Postens für unwürdig erklären.«
Ausdruckslos wie eine Alabasterskulptur, begegnete Lirenda dem offensichtlichen Tadel ihrer Obersten mit einem höflichen Knicks.
Aufrecht, das geflochtene Haar pechschwarz unter dem Flakkern magisch aufgeladener Luft, sagte sie: »Euren Willen zu erfüllen ist mir eine Ehre. Ich werde Euch nicht enttäuschen.«
Spröde, gereizt, doch ruhig beobachtete Morriel, wie ihre gewünschte Nachfolgerin sich mit leidenschaftlicher Grazie erhob und den Raum verließ.
Der Ältesten, die noch immer zu ihren Füßen am Boden kauerte, gönnte die Oberste einen weniger bösartigen Blick. »Vergiß deine Furcht, Haltha. Erhebe dich. Du hast ein großes Risiko auf dich genommen, um einer Sache willen, die du für Wert befunden hast, jedes geforderte Opfer zu erbringen. Deine Mühe verdient, belohnt zu werden, doch die Notwendigkeit verlangt anderes. Ich muß dich also um einen weiteren Dienst bitten.«
Die Hexe richtete sich vor ihrer Herrin auf, den
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