Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
kühl-blauen Augen, während seine Hände gespannt waren, bereit, den Mann festzuhalten, sollte der Zorn ihn aus der Fassung geraten lassen.
Ungeduldig mühte sich Pesquil, sich zu bewegen, ehe sein Atem zischend durch zusammengebissene Zähne entwich, als der Schmerz ihn niederdrückte. »Die letzten Worte werden meinen Namen enthalten. Habt Ihr nie zuvor einen Rachepfeil der Clanblütigen gesehen? Möge das Glück Euch treu bleiben, mein Prinz. Nur wenige Männer überleben einen solchen Pfeil.«
Das nun folgende Zögern Lysaers bekräftigte Pesquils Verdacht, daß die endlose Schwäche, die ihn peinigte, nichts Gutes bedeuten konnte: Gewiß hatte des Prinzen langgesichtiger Heiler seinen Tod angekündigt.
»Ein barbarischer Brauch«, sagte Lysaer nach einer Weile scheinbar völlig zusammenhanglos.
Wäre Pesquil gesund gewesen, er hätte lauthals gelacht. »Die Clans waren nicht die Ersten, die diesen Brauch gepflegt haben. Städter haben während des Aufruhrs den Hohekönig zu Havish mit einer Klinge ermordet, in der neben seinem Namen die seiner Vorfahren eingraviert waren.« Seinem eigenen Sprung vom Rad des Schicksals zu nahe, taktvoll zu sein, fügte er mit einem letzten Hauch beißender Ironie hinzu: »Ihr solltet das wissen, Prinz – schließlich tragt Ihr selbst eine Klinge, die nur geschmiedet wurde, einen Zauberer zu töten.«
Der Seitenhieb war treffend: das Schwert in Lysaers Scheide trug seit der Stunde des Feldzuges zum Tal Quorin seines Feindes Namen in spiegelbildlicher Runenschrift.
Was immer Lysaer auch antwortete, Pesquil verstand ihn nicht mehr. Zu tief zerrten die erstickenden Bande der Benommenheit an seinem Bewußtsein, noch die Rätsel gesprochener Worte zu entschlüsseln. Gleich einem Funken in dunkelster Nacht wirbelte der dickköpfige, sture Gang seiner Gedanken endloser Leere entgegen. Er war zu müde, zu durstig, ihn fror so sehr. Sirenenklänge der Mattigkeit erschöpften all seinen Willen, die Welt wieder bei klarem Verstand zu erleben.
Und doch blieb noch eines zu tun. Der Pfeil des heutigen Tages hatte den Beweis erbracht, daß sein alter Feind einen Sohn gezeugt hatte, der ihm ein würdiger Nachfolger war; Pesquil stemmte sich gegen die Nebel, die seine Sinne umhüllten. Unter furchtbaren Schmerzen sammelte er all seine Kraft und sagte: »Lysaer s’Ilessid, nehmt Eure Feder zur Hand.«
Ein schauriger, unerträglicher Augenblick verging, während sich der Major verzweifelt an die Überreste seines Bewußtseins klammerte. Verschwommen nur erkannte er Bewegungen, und ganz in seiner Nähe sagte eine Stimme irgend etwas Wichtiges. Ein Kelch wurde an seine Lippen gelegt, gefüllt mit kaltem Wasser und stinkenden, aber stärkenden Kräutern.
Gierig schluckte Pesquil ein paar Tröpfchen der Flüssigkeit. »Ist der Mann hier?« keuchte er. »Sagt ihm, er möge Feder und Tinte herbeiholen.«
»Er ist hier«, antwortete Lysaer ganz nah. »Sagt mir nur, was Euch bewegt. Alles wird nach Eurem Willen niedergeschrieben werden.«
Doch wollte der bärbeißige Krieger keinen letzten Brief an eine zurückgelassene Geliebte verfassen. Ruhelos wälzte sich Major Pesquil in seinen Kissen. Mit seinem letzten Atemzug und den verbliebenen Fetzen einstiger Kraft diktierte er seine Anweisungen, um sicherzustellen, daß Jieret Rotbart und seine vierzehn Kumpane keine weitere Gelegenheit bekämen, das Heer auf seinem Weg nach Werende aufzuhalten.
Der Kommandant der Kopfjäger, der stets die Abkömmlinge hochherrschaftlichen Blutes verabscheut hatte, vertraute nun sein Vermächtnis dem Prinzen an, der an seinem Bett wachte. Es war längst zu spät in der Nacht, noch einen Schreiber zu holen. Während seine dunklen Augen blind in den Lampenschein starrten, wußte Pesquil nicht, daß die Hand, die diensteifrig seine abgehackten Sätze niederschrieb, von königlichem Blute war. Lange Pausen trennten seine letzten Worte voneinander, hervorgebracht mit der fanatischen Entschlossenheit, welche die bittere Schlacht am Ufer des Tal Quorin entfesselt hatte und die selbst auf dem Totenbett nicht zum Erliegen kam.
Major Pesquil, der Befehlshaber der Kopfjägerliga des Nordens, verließ das Rad des Schicksals noch immer treu seiner Pflicht verbunden.
Ob er den Ruf Daelions, des Herrn des Schicksals fürchtete, ob er Bedauern empfand über die ermordeten Clanblütigen, für deren Tod er Prämien eingefordert hatte, kein lebender Mensch sollte das je erfahren. Prinz Lysaer legte Schreibbrett und Feder zu
Weitere Kostenlose Bücher