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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Vater, seiner Mutter und seinen vier Schwestern den Tod gebracht hat, geht auf die Reise …

 
6
VON TALKLUFT NACH WERENDE
     
    Die Sehne löste sich aus der Hand des Schützen. Rache bestimmte den Kurs des Pfeiles, der aus dem Herzen der Sonne heraus in zischender Resonanz, wie sie keines kampferfahrenen Mannes Ohr verwechseln konnte, die Luft zerteilte.
    Major Pesquil, Befehlshaber der Kopfjägerliga des Nordens, ließ sich um einen bedeutsamen Augenblick zu spät seitwärts ins Gebüsch fallen. Noch ehe er den Boden berührt hatte, durchbohrte die vierkantige, stählerne Pfeilspitze seinen Rücken in Höhe der Taille.
    Er traf so hart auf, daß die Luft gewaltsam aus seinen Lungen gepreßt wurde und ein Hagel rauhreifbedeckter Steine rasselnd den Abhang hinunterrollte. Der Lärm, den sie auf ihrem Weg durch verkrüppeltes Strauchwerk und während ihres Vernichtungsschlages gegen allerlei Setzlinge verursachten, ließ die Männer von ihrer Arbeit mit Karren und Schaufeln inmitten der Felsbrocken aufschrecken, die die Straße blockierten. Pesquil schnappte nach Luft, um vor dem Angriff zu warnen, doch nur ein Keuchen trat über seine Lippen. Krämpfe befielen seine Muskeln. Er konnte nicht atmen, konnte nicht sprechen, nur seine Hände in die steinige Erde graben, schmerzgepeinigt, blaß und vor Schwäche frierend.
    Zusammengesunken zu einem hilflosen Bündel menschlichen Fleisches, verkrallte er die Finger im Boden, als könnte er so mit Gewalt seine Selbstkontrolle zurückerringen. Zitternd lag Pesquil inmitten des Gerölls. Sollten die Kundschafter auf den Gebirgskämmen nicht gesehen haben, daß er getroffen war oder sollten die anderen, die in der Tiefe Wache hielten, die Warnung durch die herabrieselnden Kiesel mißachten, so hätten sie es nicht besser verdient, als von dem Angriff, der nun die Männer in der Schlucht treffen mußte, überrannt zu werden.
    Pesquil mühte sich, trotz des donnernden Pulsierens des Blutes in seinen Ohren noch etwas zu hören, doch das Zischen weiterer Pfeile blieb aus. Auch vernahm er keine Warnrufe seiner sorgfältig positionierten Kundschaftergarde.
    Die ungebrochene Stille erfüllte ihn mit einem Zorn gewaltigen Ausmaßes.
    Er hatte von Anfang an gewußt, daß die Fallen in der Talkluft aufgestellt worden waren, die Kopfjäger zu treffen. Nun, da er schmerzgeplagt in der warmen Lache seines eigenen Blutes lag, fluchte Major Pesquil ergrimmt; Narr der er gewesen war, hatte er bis zum Ende die Wahrheit doch nicht erkannt. Jieret Rotbart hatte ihn getäuscht. Unter dem steten Druck, die Soldaten am Leben zu erhalten, war ihm nicht einmal der Gedanke gekommen, er selbst könnte das erklärte Ziel des Barbaren sein, das Jagdwild, das er erlegen wollte.
    Zug um Zug, Baumfalle um Fallgrube, waren selbst die verdächtig langweiligen zwei Wochen der Stille, die ohne jeden Zwischenfall verlaufen waren, nur die Vorbereitung für diese letzte Falle in jenen feindseligen Tälern gewesen, die Lysaer seines tüchtigsten Offiziers berauben sollte.
    Die Patrouille näherte sich. Atemlos vor Sorge sandten sie einen Läufer aus, Hilfe herbeizuholen und für eine Trage zu sorgen. Die Augen zu Schlitzen verengt lag Pesquil keuchend am Boden, und mit jedem seiner flachen Atemzüge bohrte sich die scharfe Pfeilspitze wie der Biß einer Säge durch weitere Lagen lebenswichtigen Gewebes. Er litt unter der Tortur, als die Männer seinen kraftlosen Leib mit dem Gesicht nach unten auf die Trage hievten, und seine Lippen formten stille Verwünschungen gegen den barbarischen Namen derer zu s’Valerient.
     
    Früh brach die Dämmerung in den Schluchten unterhalb der felsigen Hänge herein. Allmählich nur kam Pesquil die Düsternis, verhangen mit stockfleckigem Segeltuch und muffiger Wolle zu Bewußtsein, ebenso wie der verhaßte Geruch feuchten Schiefergesteins, der stetig über den Tälern hing. Wie in einem Lazarett roch es nach heilenden Kräutern und dem weit übleren Gestank von verkohltem Fleisch. Angewidert verzog er trotz seiner Schwäche den Mund. Ein rohes Pulsieren in seinem Rücken, vermengt mit dem Schmerz, den das Brenneisen hinterlassen hatte, übertrumpfte jedes scheußliche Detail des Traumas, das die Entfernung des Barbarenpfeiles seinem Körper bereitet hatte. Die Wunde war schlimm, und er brauchte keinen Heiler, zu wissen, welches Los ihm beschieden war.
    In Bauchlage ruhte er nun auf einer Feldkoje, und während er sich in Haß angesichts der Mattigkeit erging, die seine Muskeln

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