Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
erschlaffen lassen hatte und ihn gnadenlos festhielt, kümmerte es ihn wenig, daß all die Decken über seinem Leib aus feinster Seide waren, bestickt mit dem Wappenstern derer zu s’Ilessid.
Erst eine Bewegung neben seinem Bett, gepaart mit dem Aufleuchten goldenen Haares, brachte ihm die Anwesenheit Lysaers zu Bewußtsein.
»Bei Dharkarons gottgegebener Rache, Prinz!« brachte er mühsam hervor. »Ihr müßt wahrhaftig Besseres zu tun haben.«
»Selbst wenn Ihr recht hättet, so seid Ihr doch kaum in der Verfassung, Befehle zu erteilen.« Lysaer machte eine herrische Geste. Sogleich befreite sich auf der anderen Seite des Zeltes ein Diener aus einem Haufen klimpernden Zaumzeugs, schleuderte seinen Öllappen einem am Boden kauernden Pagen in den Schoß und beeilte sich, die Lampe zum Bett zu tragen. Der Prinz nahm ihm die Leuchte ab, scheuchte ihn wieder davon und hängte sie an den Haken des Zeltpfostens.
Nun setzte er sich, offensichtlich nicht in Eile, neben die Pritsche. »Es hat keine weiteren Angriffe gegeben. Harradenes Division hat den letzten Schutt unter dem Schutz von Segeltuchschirmen und Schilden fortgeräumt. Ihr könnt also beruhigt sein. Das Heer ist wohlauf und voller Tapferkeit, und der Weg durch die Talkluft ist nun wieder offen.«
Während sein mit Bartstoppeln übersätes Kinn über die Seidenkissen scharrte, betrachtete Pesquil Lysaer aus zusammengekniffenen Augen. Unbeeindruckt stürzte er sich sogleich auf den einzigen Fakt, den der Prinz unerwähnt gelassen hatte. »Dann haben meine Männer also keine Spur des Bogenschützen gefunden. Sagt Skannt, er möge seine Wachen verdreifachen. Wenn schließlich der Versorgungszug kommt, so traut den Vorräten nicht. Laßt erst meine Hunde von dem Zwieback und dem Käse probieren.«
»Ich hätte mir denken können, daß Ihr Euch selbst unter derartigen Umständen keine Ruhe gönnt.« Lysaer lächelte mit einem Ausdruck jener ernsthaften Überheblichkeit, die den alten Adelsgeschlechtern angeboren zu sein schien. »Ehe Ihr Euch mit Pflichten befaßt, die warten können, dachte ich, Ihr solltet die Chance erhalten, das hier zu studieren.« Er bückte sich, ergriff die schlaffe, ausgedörrte Hand, die außerhalb der Decken herabbaumelte, und preßte ein scharfkantiges Objekt in Major Pesquils Handfläche.
»Die Pfeilspitze, die aus Eurem Rücken entfernt worden ist«, erklärte der Prinz.
»Das sehe ich.« Er drehte das scharfe Stück gefährlichen Stahles in den Fingern, das hier und dort von den Versuchen des Heilers, es zu packen und herauszuziehen, gezeichnet war. Der Lampenschein flackerte über die Kanten, die keineswegs eben, sondern mit eingeritzten, schwarzgummierten Schriftzügen bedeckt waren.
»Wenn das eine Inschrift sein soll, so kann ich sie jetzt doch nicht lesen.« Die ihm innewohnende, flammende nervöse Energie von Lethargie und Pein erstickt, trat Pesquils Abscheu nurmehr als zorniges Knurren zutage. »Zu viele Drogen, dabei erinnere ich mich, den Heiler angewiesen zu haben, mich nicht zu betäuben.«
»Während Eurer Schreie hätte der Heiler niemals eine ruhige Hand haben können«, tadelte Lysaer sanft. »Er mußte Euren halben Rücken aufschneiden. Hättet Ihr unter Eurem Leder nicht ein Seidenhemd getragen, so wäre es ihm nicht gelungen, die Wunde zu reinigen.« Der Prinz behielt die schaurige Wahrheit für sich, daß keine betäubenden Drogen die Konzentration Pesquils beeinträchtigten. Aller Mühe und dem brutalen Einsatz des Brenneisens zum Trotz, bestätigten Pesquils eingesunkenes Fleisch und seine fiebrig-feuchte Haut die Prognose des Heilers: Die inneren Blutungen, die der Pfeil verursacht hatte, hatten nicht gestillt werden können. »Wollt Ihr wissen, was dort steht?«
»Ich kann es mir auch so denken.« Trotzdem mühte Pesquil sich zornig, dem Prinzen die Pfeilspitze zurückzugeben.
Lysaer drehte die stählerne Waffe in den Fingern. »Auf der ersten Seite steht: ›vom Sohn des Herzogs des Nordens‹.«
»Jieret s’Valerient, ganz wie ich vermutet hatte.« Das Gesicht so bleich wie poliertes Elfenbein ohne einen mildernden Hauch der Patina, schloß Pesquil die Augen. So dünn wie Pergament schien seine Haut im flackernden Lampenschein. »Weiter.«
»Auf der nächsten heißt es: ›für meine selige Mutter und vier Schwestern‹, dann folgt: ›für die niedergemetzelten unschuldigen Menschen am Tal Quorin.‹« Lysaers Stimme verhallte. Schweigend betrachtete er seinen verwundeten Offizier aus
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