Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
der Winterstürme geschlossen werden mußte. Während gischtschäumende Wogen heranrollten und donnernd am Kiesstrand brachen, tanzten die zum Transport eingezogenen Schiffe dicht gedrängt auf den schwarzen Fluten, bereit, ihre Last an Bord zu nehmen, sobald der Morgen heraufdämmerte.
Die Aussichten der hochgestellten Heeresoffiziere waren weniger rosig. Innerhalb der Stadtmauern, beständig von Boten mit allerlei Ladelisten verfolgt, während die hochwohlgeborenen Garnisonsoffiziere ein ums andere Mal an ihn herantraten und verlangten, unter einem festen Dach einquartiert zu werden, beruhigte Lordkommandant Diegan allerlei aufgebrachte Gemüter und sprach mit den sorgengeplagten Stadtministern. Werende, weniger ein Handelshafen als vielmehr ein Fischerort, vor dem fremde Boote nur vor Anker gingen, ihre Bordvorräte aufzufüllen, litt unter dem brodelnden Chaos.
Die Stadt war nicht darauf vorbereitet, dem gewaltigen Lager vor ihren Toren Beistand zu liefern. Schon jetzt weit über Gebühr durch die gemischte Flotte aus Handelsbriggs, Galeeren und Fischloggern strapaziert, die jede nach Süden geöffnete Bucht verstopften, bestand die ganze Hafeneinfahrt aus einem wirren Mastenwald voller teergeschwärzter Seile. Die wenigen offenen Wasserpassagen zwischen den unzähligen Schiffen wimmelten gleich Kanälen vor Leichterschiffen und Ruderbooten, die Kapitäne, Mannschaften und Ausrüstungen zwischen den Schiffen und den übervölkerten Kaianlangen hin und her transportierten.
Niemanden schien es zu kümmern, daß die Garnisonen Rathains angetreten waren, den gefürchteten Herrn der Schatten vom Antlitz der Erde zu tilgen. Wo auch immer Lord Diegan seine Anforderungsbefehle präsentierte, stieß er auf erzürnte Gesichter.
»Die Wagenzüge sind in diesem Jahr spät dran, was sonst?« schnappte der mit Schmuckbändern behängte Stadtseneschall, als die Pikeniere ihn schließlich in einem überfüllten Büro hinter den Kornkammern in die Enge getrieben hatten. Augen, von schlaflosen Nächten sorgenvollen Kummers gerötet, lagen tief in ihren Höhlen und zuckten nervös hin und her, während er sprach. »Eure Truppen verlangt es nach frischem Brot und Fleisch. Nun, das ist verdammt lästig. Diese dreimal verfluchte Flotte im Hafen ist wie eine Rattenplage über uns hereingefallen. Die Kapitäne und ihre Zahlmeister dachten allesamt, sie könnten unsere Händler einschüchtern, um ihnen Vorräte abzupressen, die sie schlicht nicht besaßen. Habt Ihr schon die Tavernen gesehen?«
Ungebadet und unrasiert verzehrte sich Lord Diegan geradezu nach einem Glühwein, um der ungastlichen Kälte des Nordens entgegenzuwirken, während er mit seinen Panzerhandschuhen auf die Hefte seiner diversen Waffen trommelte und zugab, noch nicht dort gewesen zu sein.
»Nirgends gibt es noch ein freies Zimmer«, schimpfte der zornige kleine Seneschall weiter. »Jeder Gastraum platzt beinahe vor Matrosen, von denen die meisten bis zur Bewußtlosigkeit betrunken sind. Die Tochter unseres obersten Ratsherren ist vor zwei Tagen vor die Gartentür getreten und wurde von Männern angesprochen, als wäre sie eine gewöhnliche Hafenhure!«
Diegan brachte eine Entschuldigung hervor, die er mit dem boshaftesten Lächeln beendete, dessen er nur fähig war. »Und nun weist mir einen leeren Ratssaal mit einem geheizten Kamin zu, einen Kammerdiener und eine Tafel mit warmen Speisen für meine zwanzig Offiziere. Darüber hinaus ist es mir gleich, ob Ihr Euren Bürgermeister persönlich aus seinen Räumen jagt! Der Prinz des Westens wird eine Unterkunft erhalten, die seinem Stand angemessen ist.«
Vorsichtig versuchte der Seneschall, die Drohung zu erfassen, die sich in des Lordkommandanten Haltung ausdrückte, ehe er einen kriecherischen Untergebenen aussandte, den Hausdiener des Bürgermeisters zu alarmieren.
Andere Probleme verlangten mehr als ein bißchen sanfter Gewalt für ihre Lösung. So kehrte Lysaer von seiner Besprechung mit den Flottenkapitänen am Hafen in einem Stadium großer Angst und Ruhelosigkeit zurück. »Der Wind weht aus der falschen Richtung«, erklärte er, bevor er sich mit den Zähnen einen Handschuh von den Fingern zerrte.
Zu recht blasiert angesichts seiner erfolgreichen Eroberung eines Raumes, von dem aus man den Hafen überblicken konnte, sah Lordkommandant Diegan erschrocken auf. Erleichtert, nicht mehr der Last des drückenden Kettenhemdes ausgesetzt zu sein, thronte er breitbeinig auf einem Hocker, während er milde
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