Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
Krachend schlug Bransian den geleerten Krug mit genug Gewalt auf den Tisch, eine Kerbe im Eichenholz zu hinterlassen und die Kopfschmerzen, die Dakars Schädel plagten und seine Sinne marterten ins Unerträgliche zu verstärken.
»Was für ein Temperament«, murrte Parrien. »Wenn dir der Sinn nach Prügeln steht, warum benutzt du dann zu diesem Zweck nicht den Gefangenen? Sollte er weiterhin so einen Unsinn erzählen, dann würde ich ihn lieber heulen hören.«
Voller Furcht, seine Lage könnte sich noch weiter verschlechtern, plapperte Dakar weiter, darum bemüht, seine Lügengeschichte weiter auszuschmücken.
Zwei Stunden vergingen. Die Wachen vor der Tür waren bereits zweimal ausgetauscht worden. Nächtliche Stille hatte sich über die Stadt gesenkt, nur in der Ferne erklangen Schafsglocken, vermengt mit den Schritten der Wachsoldaten. Im Turm flackerten die Kerzen, und die Dochte ertranken beinahe im Wachs, bis die unruhigen Flammen fast verloschen. Mindestens sechs Weinflaschen waren bis zum Bodensatz geleert worden. Dakar litt zu sehr, er konnte die Bierkrüge nicht korrekt zählen. Dort, wo die Beschläge sich in sein Fleisch bohrten, waren seine Extremitäten taub geworden, doch auch das brachte ihm keine Linderung. Sein Rücken quittierte die ausgedehnten Stunden, die er ausgestreckt auf dem Tisch verbracht hatte, mit quälenden Schmerzen, und die Notwendigkeit, die schäbigen Energien zu erneuern, die seinen Zauber aufrechterhielten, ließ ihn vollends ermattet und mit einem Gefühl scheußlicher Übelkeit zurück. Trotz all seiner Anstrengungen war das Ergebnis furchtbar dürftig.
Nur Parrien war zusammengebrochen. Er lag ausgestreckt und leise schnarchend am Kopf des Tisches, die erschlafften Hände unter seinem Kragen gefaltet und die Wange an Dakars Fußgelenk geschmiegt. Von der Seite nickte Keldmar mit einem eulenhaften Gesichtsausdruck mit dem Kopf. Von streitsüchtigen Blicken zwischen seinen Äußerungen abgesehen, schien Herzog Bransian unverändert.
Mearn stand noch immer auf seinen Füßen, trotz seines deutlich schmerzenden Beines. Ruhelos schritt er mit unverminderter Nervosität im Zimmer auf und ab. Unzugänglich für magische Einflüsterungen, die ihn davon überzeugen sollten, daß seine Unruhe Körper und Geist ermattete, zappelte er weiter nervös umher, noch lange, nachdem Dakar die Hoffnung aufgegeben hatte, der Mann könnte sich einem magischen Bedürfnis nach Schlaf ergeben.
Wach und so kaltschnäuzig wie ein Fisch, stach Mearn seinem ältesten Bruder einen Finger in die Schulter. »Dieser fette Kerl füttert uns mit einem Lügengebilde. Es macht mich krank, daß du ihn einfach gewähren läßt.«
Bransian blinzelte wie ein Tiger, angesichts dieser Drängelei, wischte sich das Bier aus den Barthaaren und erklärte dogmatisch: »Natürlich lügt er. Was ich wissen will, ist, warum er sich selbst in so eine Lage manövriert hat.« Wieder ein langer Schluck, gefolgt von einem Rülpsen, verdeckt von seiner gewaltigen Pranke. »Dieser verdammte kleine Spion konnte mir nie etwas vormachen. Hast du bemerkt, daß er zwar viel Schaden angerichtet hat, aber keinen Versuch unternommen hat, einen von uns zu töten?«
»Nun, sieben unserer Soldaten haben die Explosion nicht überlebt, und ich bin dieser Spielerei müde.« Mearn trat an den Tisch heran. Die Platten auf seinen Schultern glitzerten in goldenem Feuer, als seine bandagierte Hand sich um den Griff des Messers in seinem Gürtel schloß. »Du und Parrien und Keldmar, ihr könnt von mir aus trinken, bis ihr von Sinnen seid. Ich werde mir indessen einige wahre Antworten verschaffen.«
Die Klinge löste sich mit kaltem Klang aus der Scheide, und der Schweiß, der des Gefangenen Gesicht badete, lief in Rinnsalen über sein Antlitz. Dakars heftiges Zappeln veranlaßte die Gurte zu knarrendem Protest. Verzweifelt benetzte er seine aschfahlen Lippen. »Ich habe es Euch doch gesagt! Der Mann ist der Herr der Schatten! In sämtlichen fünf Königreichen gibt es keine verschlossenen und bewachten Türen, die seiner Heimtücke widerstehen könnten.«
Wie aufs Stichwort klickte das Türschloß leise. Rasch wurde gleich darauf die Tür aufgestoßen, und eine Gestalt in einem dunklen Umhang schritt über die Schwelle. Groß, silberhaarig und mit gebieterischer Haltung bedachte der Neuankömmling den Gefangenen auf dem Tisch mit einem eisigen Blick. »Bete, daß wir nicht gestört werden«, sagte der Mann.
»Asandir!« Dakar vergaß sich
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