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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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erstickt hatte, lag Dakar nun in trunkener Benommenheit in der Koje, die er bereits, seit die Schaluppe zu Wasser gelassen worden war, belegt hatte. Stöhnend barg er sein bleiches Gesicht in den Decken, während die Strömung sich drehte und die Wasser von der Landspitze von Scimlade zurückflossen. Tänzelnd ging das hübsche, lackierte Boot auf Kurs. Die zornigen, wüsten Schmähungen der Witwe vermischten sich mit den Schreien der Möwen und dem Jubel der Kinder. Talliarthes anmaßender Kapitän schaffte seine Passagiere an Bord der Schaluppe und machte das Boot an der Treidelleine fest. Dann löste er die Vertäuung der Schaluppe und drehte die baumrindegefärbten Segel in den Wind.
     
    Fünf Tage wundervollen Wetters schmeichelten Jinesse, bis sie schließlich aus der Umklammerung ihrer gereizten Nerven freikam. Die Schaluppe segelte auf ihrer ersten Fahrt wie eine kesse, vorlaute Maid über die See, und der sanfte Tanz über die Fluten hielt, was ihre Konstruktion versprochen hatte. Der Umklammerung ihrer Furcht entglitten, erkannte Jinesse schließlich erschöpft, daß ihre Angst vor blauen Wassern sich grundlos aufgezehrt hatte. Die Zwillinge blühten unter dem freien Himmel auf und verbrachten Stunden damit, ihre Angeln über die Reling des Achterdecks auszuwerfen. Arithon erwies sich als höflicher, doch ausweichender Gesellschafter, doch zumindest bewiesen seine beharrlich guten Manieren, daß seine Pläne seinen erklärten Absichten entsprachen, ihr tiefverwurzeltes Mißtrauen gegenüber der See auszuräumen.
    In der Abenddämmerung, wenn sich die Wälder der Südküste schwarz vor dem sternenübersäten kobaltblauen Himmel abhoben, herrschte auf den Decks der Schaluppe tiefer Frieden. Während der Mond einen lichten Pfad auf dem dunklen Wasser erhellte, segelte die Talliarthe leichten Herzens gen Westen. Besänftigt vom Flüstern der sanften Wogen, die den Rumpf des Schiffes umspülten, hockte Jinesse, die Knie mit den Armen umschlungen, auf dem Dach des Kajüthauses. Die schreckliche Anspannung, die sie befallen hatte, seit ihr Mann gestorben war, hatte sich im Lauf der Tage immer weiter gelöst. Nun konnte sie zufrieden die Seeluft atmen, während die Brise durch ihr offenes Haar strich und die langen Strähnen durcheinanderwirbelte.
    Wie ein geschmeidiger Schatten hob sich der Prinz von Rathain vor der Brücke ab. Gekleidet in ein weites Leinenhemd und ein schlichtes Wams hielt er die Ruderpinne fest in jenen Händen, die in anderen Nächten, als das Boot still vor Anker gelegen hatte, seiner Lyranthe eine betörende Magie entlockt hatten. Die Zwillinge schliefen unter Deck, zusammengekauert wie Kätzchen lagen sie in ihrer Koje; Dakar, dessen gereizte Stimmung durch das Bier, das sie in Fässern in Shaddorn geladen hatten, gelindert wurde, hatte sich im Bug des Bootes verkeilt.
    Verzaubert von der Ruhe und Heiterkeit des Augenblicks, beinahe entkräftet von der ungewohnten Freiheit, keinen Haushalt und keine Sorgen tragen zu müssen, ließ Jinesse ihrer Neugier freien Lauf. »Warum seid Ihr nach Merior gekommen?«
    Arithon wandte den Kopf. Unergründlich lagen seine scharfen, kantigen Züge im Licht des Mondes und der Sterne. Ohne Eile antwortete er ihr mit dem Refrain eines Seemannsliedes: »›Wo Sand wie Zucker schimmert, wollen wir den Anker lichten. Wo Blumen rot und Mädchen schön wie Lilien, woll’n auf die Maiden nicht verzichten.‹«
    Als nur Schweigen seinen Zeilen antwortete, scheute er nicht mehr vor der Angelegenheit zurück. »Warum fragt ihr mich das?«
    »Jemand muß das tun.« Ein Wasserfilm hielt ihre Handflächen wie Kleister an ihren Schienbeinen fest. »Kein argloser Mann trägt Narben wie Ihr, und Ihr habt mir Euer Wappen ohne Zwang überlassen.«
    Die Schaluppe neigte sich über eine Woge. Straff gekrängt lag sie im Wind. Arithon stemmte einen Fuß gegen die Leereling und balancierte das Ruder aus, während das Wasser gurgelnd die Pinne umspülte. »Es gibt kein Geheimnis. Dakar erzählt frei von der Leber weg, wenn er getrunken hat.«
    Jinesse konterte seine ausweichenden Worte mit der schlichten Wahrheit. »Das hat er nicht getan. Er sieht in Euch einen Mann, an dem er sich schon zu oft die Zunge verbrannt hat.«
    Arithon schenkte ihr ein Lächeln. »Nun, das sollte er wohl auch. Wart Ihr kühn genug, ihn nach dem Grund zu fragen?«
    Von einem Unterton, ähnlich einer aus der Scheide gleitenden Klinge, gewarnt, wischte Jinesse eine wirre Haarsträhne aus ihren Augen.

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