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Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Striche härter in den Wind; Fallen und Takelage flatterten kläglich unter der Gewalt zunehmender Geschwindigkeit.
    Auf Deck zu bleiben, bedeutete, sich einem Schauer aufspritzenden Wassers auszusetzen, der gleich Hagelkörnern vom Bug aufstob.
    Von dem Salzwasser wie mit Nadelstichen gepeinigt, gepeitscht von ihrem eigenen, feuchten Haar, zog sich Jinesse in ihre Koje zurück. Bevor sie einschlief, warf sie einen letzten Blick durch die Luke hinaus und sah Arithon, dessen Profil sich als Silhouette vor dem frostigen Regen weißschäumenden Spritzwassers abhob. Distanziert und entschlossen setzte er seine Schaluppe der rohen Gewalt der Winde aus, als könnte der Triumph seiner Handwerkskunst über die Elemente den Schmerz ausgleichen, den ihre Zweifel an seiner Integrität ausgelöst hatten.
     
    Selbst wenn Jinesse ihre Beurteilung seines Charakters und seiner Gewissenhaftigkeit hätte richtigstellen wollen, Arithon s’Ffalenn ließ ihr keine Chance. Auf einer weißen Gischtkrone trieb er seine kleine Schaluppe nach Southshire. Mitten in der Nacht ging er vor Anker und ruderte ans Ufer, noch ehe seine Passagiere erwachten.
    Ohne Beiboot, weit außerhalb der Anlegestellen der Händlergaleeren und zu entfernt, ein Leichterschiff von der Küste herbeizurufen, schritt Dakar fluchend auf Deck auf und ab. Wie Jinesse blieb auch ihm keine Wahl, als abzuwarten, wollte er nicht die ganze Länge des Kanals durchschwimmen, der den Hafen mit der offenen See verband.
    Noch vor Einbruch der Nacht kehrte Arithon zurück, um das Boot mit neuem Proviant zu beladen. Weder die Mehlsäcke noch die Fässer vermochten jedoch über den Geruch geteerter Taue und Sägemehl oder das irre Glitzern in seinen Augen hinwegzutäuschen. So wenig er bereit war, die Freude über seinen Erfolg zu teilen, so wenig gestattete er seinen Passagieren Einblick in seine Geheimnisse. Die Papiere, die er in dem kleinen Kartenraum der Schaluppe unter Verschluß hielt, waren Verträge, die das Siegel der Schiffsbauergilde trugen; seine Geschäfte hatten mit Handwerkern und Seilern zu tun, und selbst ein blinder Schwachsinniger konnte auf seine Absicht schließen, eine Schiffswerft aufzubauen. Jinesse weigerte sich, darüber nachzudenken, welchem Zweck sein Vorhaben dienen mochte. Wann immer sie konnte, erfreute sie sich an der blühenden Selbstzufriedenheit ihrer Kinder; Dakar hingegen vernebelte ungestört seine Sinne mit großen Mengen Bier.
    So offenkundig sie nur konnte, ließ sie dem Prinzen von Rathain seinen Frieden und all seine Geheimnisse der Vergangenheit, doch auch all ihre Toleranz half wenig, seine gelöste, behagliche Gesellschaft zurückzugewinnen. Ganz gleich, was sie auch tat, nichts vermochte ihn davon abzubringen, sich selbst und seine Schaluppe bis an die trostlosen Grenzen der Kunstfertigkeit zu treiben.
    Vierzehn Tage nach der Wintersonnenwende legte die Talliarthe vor Innish an.
    Bis zu ihrem Lebensende würde Jinesse niemals den ersten Anblick dieser Stadt vergessen. Korallenrote Zwiebeltürme reckten sich dem Himmel entgegen, während sich eine goldumrahmte Silhouette vor den Wolken der Morgendämmerung abhob. Während sich Feylind und Fiark an ihre Seite kuschelten, bewunderte sie die langen, schlanken Leichterschiffe, die die Mannschaften zur Küste brachten, schwarze Konturen hoben sich scharf wie geschnittenes Pergament vor der Stadt ab, Bug und Heck geschmückt mit Talismanen oder geschnitzten Tierköpfen. Die Rufe der Fischhändler hallten über das lavendelblaue Wasser, ehe der Wind sie erfaßte, der den modrigen Geruch des Flußdeltas, vermengt mit dem Duft aus den Kohlepfannen der Balkone und der Boudoirs reicher Damen mit sich trug. Jinesse sah zu, wie das Licht des beginnenden Tages die gestreiften Dächer der mit Wimpeln geschmückten Türme erhellte; betrachtete die bogenförmig verzierten Mauern, an denen die altehrwürdigen Edelleute Shands entlangflaniert waren; die pastellfarbenen Türme mit den sonderbaren Glasfensterscheiben, in denen einst der Rat des Hohekönigs hofgehalten hatte; und in ihren Ohren klangen die süßen Harmonien, die der lebende Prinz eines anderen Königreiches den neuen Saiten seiner Lyranthe entlockte.
    Innish galt als das Juwel von Shand, und als wäre er verzaubert, war dieser Augenblick allem Weltlichen entrückt: da war kein schwarzer Rauch aus Kaminen, kein windgetragener Gestank des Moders aus einer Gerberei. Selbst die Rufe, vorgetragen im nuscheligen Dialekt der südlichen

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