Der Fluch des Nebelgeistes 04 - Die Saat der Zwietracht
ganzen zwei Jahre, während derer er mit dem Bau seiner Schiffe beschäftigt sein würde, aus dem Weg ginge, so wäre das wohl Auskunft genug.
Jeden Morgen erhob sie sich in der kühlen Luft der Dämmerung und entzündete ihre Kohlepfanne, um die Sude und Arzneien zu brauen, die sie an dem jeweiligen Tag brauchen würde. Während der windigen späten Nachmittage, in denen die Stürme auf der anderen Seite der Bucht tobten und Blitze über den Himmel zuckten, schlenderte sie über die Dünen, um Algen zu sammeln, aus denen sie Jodtinkturen destillieren konnte. Mochte auch das sommerlich schwüle Wetter eintönig sein, so gingen die Tage doch nicht unbemerkt vorüber. Geplagt von dem Wissen um Arithons Anwesenheit, begaben sich ihre Gedanken immer und immer wieder auf Abwege, ganz so als wären die Grenzen kontrollierter Stille und Trance durchlässig geworden. Die Disziplin und Ruhe, die sie für die Ausübung ihrer Kunst benötigte, boten ihr keinerlei Erholung, sondern drängten und trieben sie nur noch mehr, dem Sehnen ihres innersten Seins nachzugeben.
Die unbedeutende Magie, die Elaira durch ihren Kristall wirkte, um die Wirkung ihrer Heilmittel zu verstärken, brachte ihre Nerven in einen Zustand unerwünschter Feinfühligkeit, bis sie, auf den Flügeln entglittener Gedanken, selbst Arithons Schritte auf dem sandigen Boden der Scimlade-Landspitze erfühlen konnte.
Frustriert und verärgert gab sie ein ungestümes Stöhnen von sich und kämpfte gegen ihre Abneigung, sich dem nächsten Heilkraut dieses Morgens zu widmen. Inmitten der Bündel getrockneter Astern und geschälter Aloezweige, die sie bereitgelegt hatte, eine Heilpaste für kleinere Verletzungen zu rühren, betrachtete sie mit scheelem Blick all die verpfropften Glasfläschchen, die so dringend darauf warteten, daß sie ihnen ihre Aufmerksamkeit widmete; beäugte unwillig die erschöpften Vorräte an Schwarzwurz, Enzian und Minze, die fortwährend dazu dienten, die Koliken des einen oder anderen Kleinkindes zu lindern. Eine kastanienbraune Haarsträhne, glänzend wie Kupfer unter einer Schicht von Rost, glitt über ihren nackten Oberarm. Unwirsch warf sie die vorwitzige Strähne über ihre Schulter und stellte fest, daß sie sich erneut in Tagträumen verloren hatte.
Sich selbst unentwegt tadelnd, wühlte Elaira hinter ihrem Destillierkolben nach dem Topf mit den Breiumschlägen, schöpfte Wasser aus einem Kübel und setzte ihn zum Kochen auf ein Dreibein über dem Feuer. Durch die offene Tür hinter ihr strömte die Seebrise herein, begleitet von den erfinderischen Schreien der Spottdrosseln, die laut krakeelend von ihren neuen Nestern kündeten. Dann und wann kam eine Katze vom Fischmarkt herüber, um sich an ihren Beinen zu reiben oder ermattet zu ihren Füßen zu dösen.
Elaira widerstand dem Impuls, sich zu erheben, um den Tieren den Rest des Stockfisches zu servieren, den sie zum Frühstück verzehrt hatte. Beherrscht von einem eisernen Willen und dem Kredo des Korianiordens, das sie hieß, alles zu tun, was in ihrer Macht stand, die Leiden der Sterblichen zu lindern, murmelte sie eine Litanei, ihren Geist zu ordnen, ehe sie mitten im Wort abbrach, als das Licht sich veränderte. Ein sanftes Schaudern lief über ihren Rücken. So zart wie die Landung eines Insekts auf einer Ranke, entwickelte sich das Gefühl der Kälte zwischen ihren Schulterblättern zu dem sicheren, warnenden Empfinden der Präsenz eines anderen Lebewesens, das sie aus dem Türrahmen heraus beobachtete.
Von lächerlicher Freude erfaßt, brach sie die Litanei ab, überlegte kurz und biß sich auf die Lippe, ehe sie ihr Strahlen unwillkürlicher Freude unterdrückte und sich umwandte.
Wie ein verlorener Streuner lehnte Arithon s’Ffalenn am Türpfosten.
Geprägt von der Zurückhaltung eines Zauberers, würde er ihre Schwelle nicht übertreten, forderte sie ihn nicht ausdrücklich dazu auf. In der sonnengebleichten Kniehose, die an den Waden verschnürt war, und den bloßen Füßen, sah er wie ein gewöhnlicher Zimmermannsgeselle aus. Sein langärmeliges Hemd stand offen. Schmucklose Hände lagen locker über gekreuzten Armen, und das Haar, ordentlich gekämmt und glänzend wie die Federn einer Krähe, flatterte über seine braungebrannte Stirn. Seine Lippen zeigten einen ernsten Ausdruck, der auf sonderbare Weise nicht zu der angespannten und wachsamen Haltung passen wollte.
Mühsam unterdrückte Elaira den Impuls, zuerst zu sprechen. Ihre Augen, fahles Schiefergrau,
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