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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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auf und bat ihr auserwähltes Opfer um vollkommen sinnlose Unterstützung bei einer ebenso nutzlosen Messung.
    Allenfalls ein kurzes Nicken erhielt sie zur Antwort auf ihren Gruß. Versuchte sie, ein Gespräch anzufangen, begegneten ihr die Männer mit einer hastigen Verbeugung und einer mürrisch dahingemurmelten Ausrede, behaupteten, sie stünde im Weg, baten sie, freundlichst zur Seite zu treten, und drückten ihr Bedauern über die Unannehmlichkeit ihres Aufenthalts aus. Keiner wagte es jedoch, ihr in die Augen zu schauen.
    Zur Mittagszeit, als nurmehr der Fuß der steilen Klippen von der sengenden Sonne verschont wurde, trug sie ihre Klagen dem Seiler vor. Der blinde Mann grunzte, gab ihr aber schließlich von seinem Thron auf einem umgestürzten Faß inmitten eines Schlangennestes halbfertiger Taue die gewünschte Antwort. »Diese Männer wissen, was ihnen ihr Leben lieb ist.«
    Seine Hände, fleischig, mit kurzen Stummelfingern, erinnerten an Bärenklauen. Dennoch waren sie überaus geschickt bei der Arbeit. Beinahe fasziniert beobachtete Talith, wie der Blinde schweigsam die festen, grauen Stränge zu einem ebenmäßigen Seil zusammenfügte. »Hat Euer Herr den Männern befohlen, mich zu ignorieren?«
    Ivel legte den Kopf zurück und verdrehte die trüben Augen, eine Darbietung, derer er sich mit Freuden bediente, sanftere Gemüter zu erschrecken. »Arithon hat ihnen befohlen, den Stolz der Manneskraft zwischen ihren Beinen zu ignorieren.« Nicht einmal geriet die Bewegung seiner Finger aus ihrem Rhythmus, während er sprach. »Euer Anblick, so sagt man, kann einem Mann die Sinne rauben.«
    Ein leises Lachen entglitt Taliths Kehle. »Deshalb fürchten sie sich davor, mit mir zu sprechen? Oder wurde ihnen das verboten?«
    »Tja, nun.« Ivel neigte den zerzausten Kopf zur Seite, leckte sich mit der Zunge über den Daumen und wählte ein Tau aus, dessen Stränge er löste, um eine neue Trosse zu fertigen. »Arithon hat angeordnet, daß keiner der Männer Euch anrühren darf. Alles andere kommt von ihnen selbst. Seht Ihr, sie fürchten, daß sie in Streit geraten könnten.« Mit seinem Trennstock deutete er auf die Gipfel, die den Horizont rundherum begrenzten. »Versteht Ihr, es gibt hier keine Huren. Nicht einmal eine Wirtschaft, in der sie ihr Verlangen betäuben könnten. Also haben die Männer sich überlegt, daß sie der Versuchung leichter widerstehen könnten, wenn sie zusammenhalten und Euch schlicht nicht beachten.«
    Verwundert blinzelte Talith. »Sind das überhaupt Männer, oder sind sie nur Tiere, wenn sie so sehr fürchten müssen, ihren Anstand zu verlieren? Vielleicht hat die Furcht sie ihrer Männlichkeit beraubt, wenn sie sich das Recht absprechen lassen, zu tun, was sie für richtig halten. Warum sollten sie sich ihres Stolzes berauben lassen? Nur der Marotten eines Mannes wegen, sind sie bereit, auf grundlegende, menschliche Behaglichkeit zu verzichten.«
    »Eine philosophische Frage, nicht wahr?« Mit geübten Bewegungen löste Ivel die Stränge und begann mit der neuen Trosse. »Wir hier haben wenig Sinn für Kultiviertheit. Was gibt es dabei auch schon zu gewinnen? Besser, wir überlassen all die pompöse Rhetorik reichen Faulenzern und Gelehrten. Mögen sie sich die Köpfe darüber zerbrechen. Die Männer, die hier arbeiten, sind alle nur des Geldes wegen hier. Manche von ihnen sind heimatlos, andere wollen ein besseres Zuhause für ihre Familien. Arithon duldet keine Bummelei. Seine Anforderungen sind hart, aber er ist fair.«
    Talith stieß einen leisen, verächtlichen Seufzer aus. »Das muß wohl das Paradies sein, wenn sie alle so zufrieden sind. Ich bin wirklich beeindruckt. Es sieht beinahe so aus, als würde jeder dieser entmannten Arbeiter nur darauf warten, Arithon die Stiefel zu lecken.« Wie eine Tigerin betrachtete sie Ivels gesenktes Haupt. Sie hatte ihre Chance erkannt, nun war es an der Zeit, eine List zu spinnen. »Ich würde all meine Juwelen dafür geben, all mein Gold, könnte ich nur diesem segensreichen, falschen Glück entflüchten.«
    Der blinde Seiler war nicht bloß der einzige, der es wagte, mit ihr zu sprechen, sein ruheloser Geist war überdies neugierig genug, jeden noch so leisen Hauch des Unmuts aufzufangen. Nun, da ihre Saat gesät, der Lohn der Bestechlichkeit genannt war, machte Talith auf dem Absatz kehrt und ging davon. Ihr blieb nurmehr zu warten und sich uninteressiert zu geben, für den Fall, daß Ivel den Köder nicht schlucken würde. Während sie

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