Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
Seemann abschließend. »Aber diese alte Schmacke ist das Beste, was wir Euch bieten können. Das Quartier liegt in dem ehemaligen Frachtraum, in dem früher die Fische transportiert wurden. Der Geruch zieht nicht hinaus. Wenn es Euch aber nichts ausmacht, Leinen zu tragen wie ein Matrose, so können wir Euch gewiß dann und wann an Deck lassen. Falls Euch jemand sehen sollte, wird er Euch für einen Schiffsjungen halten.«
Mit den Fingern strich sich Talith durch die nun kurzen Haare, und ihre Augen funkelten wie geschliffener Topas im fahlen Lampenschein. Tief atmete sie den Gestank des heißen Öls und des ranzigen Fischfetts ein, ehe sie den besorgten Blick des Mannes mit dem strahlendsten Lächeln beantwortete, dessen sie fähig war. »Ich werde gewiß zurechtkommen. Um der Ehre meines Gemahls und der Vergeltung für Arithons Unverfrorenheit willen, würde ich wahrhaftig noch weit mehr erdulden.«
Der Seemann bedachte sie mit einem schelmischen Grinsen, das die Lücken in seinen Zahnreihen offenbarte. »Dann war es das.« Er blinzelte ihr zu, beugte sich über die Karte und wisperte in die Nacht hinaus: »Setzt die Segel, Männer. Ihre Hoheit ist zufriedengestellt.«
Anstand
Während Lordkommandant Diegan sich nach Avenor begab, um den hohen Rat einzuberufen und das Lösegeld zur Befreiung Prinzessin Taliths aufzubringen, sattelten die Kuriere an der fernen Küste von Shand ihre Pferde und ritten im hellen Fackelschein mit donnerndem Hufschlag zu den landeinwärts gerichteten Stadttoren Southshires hinaus. Geschützt durch eine Eskorte schwer bewaffneter Männer, die die Clankrieger abschrecken sollten, eilten sie unter dem seidenen Banner Lysaers gen Norden und Westen. Schon erwarteten die hochgeborenen Offiziellen in Alland ganz entgegen ihren ursprünglichen Absichten, doch überwältigt von der leidenschaftlichen Überredungskunst Lysaers, die Soldaten seines Heeres in ihren Städten. Unermüdlich und entschlossen hatte seine Hoheit in den vergangenen Wochen seit der Tagundnachtgleiche des Frühjahres dafür gesorgt, daß jeder Bürger Shands die mörderische Geschichte des Schattengebieters kannte.
Der Prinz, der den Reiterzug höchstpersönlich verabschiedet hatte, atmete in seinem makellosen Gewand tief durch, ehe er die Gittertür öffnete, die vom Wachturm in die Stille des inneren Palastgartens führte.
Auf dem Kiesweg, der zwischen duftenden Primeln hindurchführte, wurde er von seinem Pagen aufgehalten.
»Euer Hoheit, die Galeere mit der Ministerialdelegation ist im Hafen von Innish eingetroffen.«
»Sag dem Hausdiener des Statthalters, er möge ihnen Gastgemächer bereiten«, entgegnete Lysaer. Trotz seiner Anspannung schenkte er dem Pagen, der nicht lange in seinen Diensten und sich seiner Pflichten noch unsicher war, ein Lächeln. »Hat der Herold einen besorgten Eindruck gemacht?«
Der Knabe grinste und blies den schmalen Brustkorb auf, um den königlichen Wappenrock angemessen zu füllen. »Nein, Euer Hoheit. Er sagte, drei Männer wären seekrank. Der Rest ist halb verhungert, weil der Koch auf der Galeere sein Handwerk nicht verstand. Ich habe ihm gesagt, sie mögen an Land gehen und sich in der Marlin-Taverne bewirten lassen.«
»Gut gemacht.« Lysaer strich dem Knaben über das dunkle Haar. »Wir werden meinen Schreiber beauftragen, sie zu benachrichtigen, daß ich sie am Morgen willkommen heißen werde. Sag dem armen Mann, daß er danach entschuldigt ist. Und du auch. Ich habe euch beiden lange genug den Schlaf geraubt.«
Der Page verbeugte sich und sauste davon, seine letzte Tagespflicht zu erledigen. Lysaer ging in den Palast hinein und durchquerte die getäfelten Flure auf dem Weg zu dem Studierzimmer des Statthalters von Southshire. Dort erwartete ihn ein weit schwierigeres Zusammentreffen mit einem Gesandten, der wenig Geduld zu warten aufzubringen pflegte.
Im flackernden Kerzenschein, ein wenig deplaziert inmitten der blattgoldgezierten Vertäfelung und der glänzenden Marmorplatten des kunstvollen Mosaikbodens, ging Herzog Bransian s’Brydion in Sporen und Wappenrock voller Unruhe auf und ab. Das Gewand war aus feinster Seide, doch über und über von Flickstellen gezeichnet, die von bewaffneten Auseinandersetzungen der Vergangenheit kündeten. Der Mann, der sein Kettenhemd nur nachts ablegte, wenn er sich hinter befestigten, scharf bewachten Mauern zur Ruhe begab, starrte zum Fenster hinaus, als Lysaer den Raum betrat. Die Abdrücke der stählernen Kettenglieder,
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