Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
würgte er eine plumpe Warnung hervor, obgleich die beiden Vorsehungen keineswegs miteinander in Verbindung stehen mußten.
Ein leises Lachen antwortete ihm. »Nun, das überrascht mich nicht. Kannst du sitzen? Ich habe Kräuter dabei. Ein Heiltrunk wird deinen Magen beruhigen.«
Von dem eigenen Elend überwältigt, ließ Dakar sich von fremden Händen aufrichten und mit den Schultern an einen Felsen lehnen. Jemand warf eine Decke über seine zitternden Beine. Über ihm, von hinten vom Feuerschein angeleuchtet, blickte Arithon mit einem Ausdruck des Mitgefühls zu ihm herab, der jeglichen Haß vergessen machen wollte.
Weinend verwünschte Dakar diesen Anblick. Mit Mitleid konnte er gewiß nichts anfangen. Sein ganzes Leben lang hatten diese elenden Anfälle ihn überfallen, wie es ihnen beliebte, und stets hatten sie all sein Glück zerstört. Als er sieben Jahre alt gewesen war, hatte er das Fieber vorausgesehen, dem seine Mutter erliegen sollte, und seine Familie hatte ihn aus Furcht verstoßen. Auch als Erwachsener hatte er keinen Frieden finden können. Um diesem brennenden Schlag der Visionen zu entgehen, blieb ihm nur, sich in ein zügelloses Leben zu flüchten, das die Heftigkeit, mit der die Gabe sich bemerkbar zu machen pflegte, und die Pein zu lindern imstande war.
Nur, wenn er bis zur Bewußtlosigkeit trank, vermochte er diesem Schraubstock des moralischen Dilemmas zu entgehen, in den die Vorsehung sein Gewissen wieder und wieder zu pressen suchte.
Erneut erschrak Dakar angesichts der Zukunft, die auf diesen einsamen Hängen von Vastmark wartete, auf denen der Zufall Herr des Schicksals sein würde.
Arithons Tod stand bevor, und niemand in Athera außer ihm allein war imstande, ihn rechtzeitig zu warnen. Diesem postulierten Ereignis mußten andere vorausgehen. Irgendwo gab es einen Feind, der einen Pfeil mit der magischen Energie aufladen würde, die benötigt wurde, den Bann langen Lebens aufzuheben, mit dem die Fontäne der Fünf Jahrhunderte den Herrn der Schatten belegt hatte.
Der Wahnsinnige Prophet schlang die Arme um den Brustkorb, um das Zittern zu unterdrücken. Nicht einmal der Hüter des Althainturmes konnte um die Gefahr wissen, die die überraschende Prophezeiung dieses Abends zutage gefördert hatte. Trotz all der Furcht und Pein, erblühte in Dakars Geist ein bösartiger Gedanke, der ihm trotz der Übelkeit beinahe ein Lächeln entlockt hätte.
Dieses eine Mal in seinem Leben hatte ihm seine abscheuliche Gabe einen Vorteil verschafft, mit dem er arbeiten konnte. Die Macht, nach der es ihn so sehr gelüstet hatte, die Möglichkeit, jenem aufgezwungenen Dienst zu entfliehen, war ihm direkt vor die Füße gefallen.
Das Leben des Prinzen derer zu s’Ffalenn, an den er durch einen Zauber gebunden war, lag in seinen Händen. Er konnte ihn seinem Schicksal überlassen oder ihn verschonen, ganz wie es ihm gerade beliebte.
Auf einen Schlag mochte so der Fluch Desh-Thieres ausgelöscht werden. Ein anderer königlicher Freund würde ausgelöst, sein Geist aus den Fängen jenes übermächtigen Fluches befreit werden. Endlich könnte die Tragödie jener Stunde aufgehoben werden, in der die Bruderschaft beschlossen hatte, Lysaer zu opfern, um die bösartigen Wesenheiten des Nebelgeistes einzufangen.
Auf der anderen Seite des Feuers, umgeben von Clankriegern, deren Achtung er durch Kompetenz und Geistesgegenwart errungen hatte, durchwühlte Arithon seine Taschen auf der Suche nach Heilkräutern, die einen krampfenden Magen zu beruhigen imstande waren.
Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Dakar den Prinzen von Rathain. Auf die eine oder andere Weise würde er ihn als das erkennen, was er wirklich war: mitfühlender Barde oder listiger Meister der tückischen Raffinesse.
Es oblag allein der Urteilskraft Dakars, eine Warnung auszusprechen, wenn der Winter mit kaltem Eisregen über die kahlen Hänge von Vastmark hereinbrach, auf denen der Herr der Schatten seinen letzten Richter schauen sollte.
Tief in der Nacht lag der Wahnsinnige Prophet wach auf seinem Lager und litt unter den schauderhaften Nachwirkungen seiner prophetischen Trance. Auch Arithon hatte nicht geschlafen. Eingewickelt in eine Decke hockte er neben den heruntergebrannten Kohlen ihrer Feuergrube. Bei jedem Windstoß flammte die Glut wieder auf. Heißer Feuerschein ergoß sich über seine kantigen Züge und die schmalen Musikerfinger, die untätig auf seinen Knien lagen. Gedankenvoll starrten die grünen Augen in
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