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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Arithon besaß keinen Schutz gegen Haß. Er konnte nichts gegen Schmähungen, Kränkungen und Vorurteile unternehmen. Ihm blieb nur, sein Herz in Verständnis zu öffnen. Für einen Sproß seiner Linie gab es keine Halbherzigkeiten. Sich vor Mißverständnissen, vor Verrat, ja, gar vor kaltem Stahl in seinem Rücken zu schützen, blieb ihm nur sein Gemüt. Die qualvolle Duldsamkeit, in der sein Sarkasmus wurzelte, entwickelte sich nun zu einer zermürbenden Offenbarung, die Dakars tiefverwurzelten Haß all seiner Grundlagen beraubte.
    Selbst während er die Musik für Jilieth erklingen ließ, entging Arithon die Pein des Wahnsinnigen Propheten nicht. Zart, doch solide, wie Mauern aus geblasenem Glas, bot er ihm Beschränkungen dar, mit denen er sich schützen mochte.
    In einem lebenslangen Kampf unter dem steten Ansturm seiner offenen Gefühle und der Anforderungen seines eigenen Mitgefühls, die sich seinem Seelenfrieden entgegenstellten, hatte Arithon persönlichen Freiraum zu schätzen gelernt. Mit dem eifrigen Streben, dessen nur ein Mann von geschulter, meisterlicher Selbstbeherrschung fähig war, schuf er sich eine Höhle, seiner Seele Zuflucht zu bieten.
    Überwältigt von dem zerreißenden Bedürfnis zu weinen, hörte nun Dakar, wie die Lyranthe in scharfer Dissonanz zu ihm sprach. Die Note zerfetzte die Bindung, bot ihm einen Halt, den Zugriff auf sein ersterbendes Selbstgefühl zurückzuerlangen. So gewann er Geistesgegenwart, sich zu erinnern, daß es nicht seine Aufgabe war, sich von der Not des Feindes überwältigen zu lassen, sondern den zerfetzten Leib eines Kindes zu heilen.
    Er besaß das Wissen, das ihm erlaubte, auch tödliche Wunden innerhalb strikter Grenzen auszulöschen. Die Gebote der Bruderschaft bildeten die Grundlage seiner Kenntnisse. Am Beginn einer jeden Veränderung mußte eine Einwilligung stehen. Jilieth selbst mußte zustimmen, geheilt zu werden. Das Einverständnis eines Kindes, zu jung, die Konsequenzen der Entscheidung und die komplizierte Denkstruktur Erwachsener zu begreifen, konnte nur schrittweise errungen werden. Der erste Schritt war der leichteste. Gemartert von diesen schrecklichen Wunden, würde sie gewiß die Chance ergreifen, den Schmerzen zu entkommen. Mit geschlossenen Augen, erfüllt von den klingenden Dimensionen des Geistes, von denen Arithons Lyranthe kündete, legte er zart die Hände auf die Bandagen, die die Verletzungen auf Jilieths Brust bedeckten. In verschlungenen Mustern offenbarte sich der Gezeitenstrom der Lebenskraft seiner magischen Wahrnehmung. Hier floß ein Strom nurmehr kläglich dahin, war gar beinahe versiegt; dort loderte ihre Energie mit wilder Kraft, von dem Trauma seiner Balance entrissen. Gleich Kerzenwachs über einer Flamme, hatte ihre Struktur ihre ursprüngliche Gestalt eingebüßt.
    Dakar erhob die Hand und zeichnete mit dem Finger ein Siegel der Beständigkeit über den fleckigen Leinenverband.
    Aus sich selbst heraus rief er Kräfte herbei, dem Bann Macht zu verleihen. Flackernd erblühte ein Leuchten unter seinen Fingerspitzen. Für einen Augenblick schimmerte die Rune, als wäre sie von spitzer Feder mit reinem Licht getuscht. Dann antwortete Arithons Musik seiner Magie und formte das fahle Glimmen zu Klang. Unter grimmigem Glanz erstrahlte das Werk, ehe es sich in einer Wolke winziger Funken löste und sich in die Aura des Kindes einfügte.
    Arithons Akkorde erklangen in der gleichen Vibration, ehe sie einen schmerzlichen und doch unsagbar schönen Gegenpol durch jene Muster wirkten, die den Namen des Mädchens bildeten.
    Tränen liefen ungebremst über Dakars feiste Wangen. Für einen Augenblick vermochte sich nichts der Zärtlichkeit zu entziehen, die sich im Flug der Finger über Bunde und vierzehn silberne Saiten Ausdruck schuf. Gleich purem Gold trug Arithons Gabe unverfälschte Wahrheit, wie es die Lehrzeit bei Halliron, seinem Meister, versprochen hatte. Jilieth konnte sich nicht verweigern, sie mußte antworten. Unter Dakars Händen atmete sie leichter, und er wagte sich an ein weiteres Siegel, den Schmerz zu lindern, während die Klänge der Lyranthe sein Werk durchdrangen und seiner Magie antworteten.
    Der Einfluß der Macht entlud sich in einem fröhlichen Sturm.
    Erfüllt von Ehrfurcht ob der klaren Klänge reiner Melodie, die gleich einem luftigen Flug der Akkorde die Luft mit der Sorglosigkeit einer Brise erfüllten, welche durch die Blüten am Wegesrand strich, formte Dakar das nächste Siegel, zerstörtes Gewebe

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