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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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magischen Konstrukt während seiner Gestaltung blind gegenüberstehen. Du mußt nicht nur die Quelle der groben Energien sein, sondern auch meine Augen ersetzen. Ich kann meine Musik nur nach dem wirken, was ich höre und mit meiner geschulten Bardenempathie zu fühlen vermag. Das Ergebnis unserer Bemühungen hängt davon ab, inwieweit du dich dem Mitgefühl hingeben kannst.«
    Mit einer Miene ungetrübten Verstehens kaute Dakar auf seinen Barthaaren, als Noten gleich funkelndem Kristallstaub das Klagelied des Windes durchbrachen. Leise flüsternd knickte das braune, welke Riedgras am Ufer des Sees ein. Der Musiker jedoch, der sich mit überkreuzten Beinen über sein Instrument beugte, zeigte nicht die Spur des Bedauerns, da er sich nun vor einem Feind offenbaren mußte.
    Unfähig zu solcher Schicksalsergebenheit, schluckte Dakar die aufkeimende Ehrfurcht hinunter. »Warum um alles in der Welt wollt Ihr das tun? Ihr wißt, wie sehr ich Euch hasse. Alles, was ich in Eurem Hinterstübchen entdecken kann, wird später einmal gegen Euch Verwendung finden.«
    Arithon sah auf, und seine tiefgrünen Augen blickten in unergründliche Ferne. »Erfreut dich denn diese gerechte Strafe gar nicht? Ich war fest überzeugt, du würdest dies für die Zeche halten, die ich für den Tod der Kinder am Ufer des Tal Quorin zu zahlen habe.«
    Da es kaum etwas Schrecklicheres gab, mit dem Dakar hätte kontern können, fehlte es ihm an Worten. Und bevor er doch noch zu einer Antwort ansetzen konnte, war auch die letzte Baßsaite gestimmt. Arithon aber ließ in federleichtem Spiel eine Reihe Durakkorde erklingen, gefolgt von einer tanzenden, munteren Melodie.
    Angesichts des tragischen Hintergrunds dieses Beisammenseins, erschien diese reine, fröhliche Weise geradezu blasphemisch.
    Dann aber raubte ihm die unerbittliche Ehrlichkeit der Musik die Worte.
    Denn was Arithon mit der verblüffend geschickten Anwendung seiner Kunst schuf, war das Muster der Signatur eines gesunden kleinen Mädchens. Seine Melodie fing das Gewebe Jilieths in all seiner frischen, kindlichen Unschuld ein, erblickt durch das Fenster ihres verbliebenen Auges, das für eine fließende Minute ihr Wesen enthüllt hatte.
    Des Barden Wahrnehmung war eine unbefleckte Erkenntnis, so frei wie der Flug der Falken am Himmel; sie richtete nicht, sondern akzeptierte; sie forderte nicht, sondern befreite von allen Beschränkungen.
    Dakar fühlte, wie sich der kleine, verunstaltete Körper auf seinen Knien allmählich unter seinen Händen entspannte. Ein zartes Lächeln zierte die bleichen Lippen. Selbst durch den Nebel der Bewußtlosigkeit erkannte Jilieth die Musik, die ihr lebendiges Selbst war, und sie antwortete dem Versprechen, das mit jeder Note der zarten Harmonie mitschwang. In den raschen Klangfolgen, dem süßen Durcheinander auf und absteigender Arpeggios, konnte selbst Dakar die Frau ahnen, die zu werden die musische Darbietung ihres weiteren Lebens versprach.
    In der Folge versank der Geist in magischem Bann. Geschwächt, wie Jilieth war, hungernd nach Sauerstoff ihr ganzes Gewebe, konnte sie doch nicht anders, als sich über ihren Kummer erheben und folgen, als das lebendige Spiegelbild ihrer selbst emporschwebte und sie in einen Zustand der Verzückung entführte.
    Arithon spielte mit halbgeschlossenen Augen. Die komplizierte Weise unter seinen Fingern folgte stetig dem Fluß seiner Intuition. Dakar blieb keine Gelegenheit, seine Kunstfertigkeit zu bewundern. Furchtsam angesichts der Folgen einer Verzögerung, sei es nur für eine Sekunde, wartete er auf die Öffnung, in der sich die Verbindung seinem Zugriff darbieten würde.
    Die Erkenntnis überflutete ihn, als wäre er in eisiges Gletscherwasser eingetaucht. Arithon löste rückhaltlos seine inneren Schranken, ohne Einschränkung, ohne ein Zeichen der Furcht oder des Bedauerns.
    Der Wahnsinnige Prophet stählte seine Konzentration, glitt in Trance und hinein in die magischen Wahrnehmungsbereiche. Er ließ zu, daß die Spiralstruktur der Musik Besitz von seinem Geist ergriff und ihn in den inneren Kreis des Bewußtseins des Herrn der Schatten geleitete.
    Der erste Kontakt war überwältigend. Vollends überrascht begegnete Dakar einer Verletzbarkeit von erschütterndem Ausmaß, die ihn sogleich seiner Feindseligkeit beraubte, ehe er eintauchte in den Rausch noch größerer Entdeckungen: Die erzwungene Gabe der Barmherzigkeit verlieh diesem Prinzen derer zu s’Ffalenn die unbegrenzte Fähigkeit zu vergeben.

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