Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
lag still vor Anker, wenn auch die Stürme sie ein wenig in Unordnung gebracht und allerlei Seemöwen und Tölpel sich auf ihr häuslich niedergelassen hatten und ihr Kielraum dringend entwässert werden mußte. Noch immer in den geflickten Hirtenkittel gekleidet, hinterließ ihr Herr und Meister einen nachlässigen Eindruck. Dennoch mußte Dakar gepeinigt erkennen, daß die Schiffsreinigung Arithons spitzer Zunge nichts anzuhaben vermochte. War des Herrn der Schatten Gesellschaft bereits zuvor von beißendem Hohn gekennzeichnet gewesen, lieferten ihm nun offenbar die Mühen, die sie um des toten Kindes willen auf sich genommen hatten, Anlaß genug, sich nicht einmal mehr des Anscheins anständiger Manieren zu befleißigen.
Statt sich weiter den bissigen, zynischen Bemerkungen auszusetzen, die ihm jedes Mal entgegenhallten, wenn seine eigenen Kommentare dem Herzen Arithons zu nahe kamen, beschloß der Wahnsinnige Prophet, sich einer friedvolleren Aufgabe zu widmen und das Deck der Talliarthe zu schrubben.
Einen Tag lang erinnerte die Takelage mit all ihren zum Trocknen aufgehängten Kleidungsstücken an die Wäscheleine einer Bäuerin. Arithon umwickelte die ausgefransten Enden der Taue mit neuer Schnur, während das Sonnenlicht, deren goldener Schein über die Klippen fiel, den Moder in dem Segeltuch trocknete. Dann, frisch eingekleidet in eine saubere Tunika und ein Leinenhemd mit Seidenschnüren, die Fingernägel gestutzt und das überlange Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, setzte er die Segel. Die Talliarthe bahnte sich ihren Weg gen Westen durch die von Riffen durchzogenen Gewässer, die sich zwischen dem Festland und den dichtgedrängten Küsten der Cascaininseln ausbreiteten.
Die schmalen Kanäle zwischen den Inseln waren zu gefährlich, sie bei Nacht zu befahren. So gingen sie an jedem Abend im Schatten der Schlünde unzähliger Höhlen vor Anker, und Arithon zeichnete Karten auf neues Pergament. In ihnen hielt er Täler und Wege fest, die er während der winterlichen Reise durch Vastmark durchwandert hatte. Er erinnerte sich an sämtliche Orte, die anfällig für Erdrutsche und Steinschläge waren, er wußte in welchen Gegenden gutes Weideland zu finden war und für wie viele Tiere es zu welcher Jahreszeit wie lange reichen würde. Mit dem Gedächtnis eines Meisterbarden war es ihm gelungen, aus den Erzählungen der Sippenangehörigen ein beachtliches Wissen herauszufiltern.
»Werden wir uns demnächst als Schafhirten versuchen?« fragte Dakar, während er sich vorbeidrängte, um seinen Kübel an der Kajütstreppe mit frischem Seewasser zu füllen.
Arithon sah auf, als wollte er antworten, und die Lampe beleuchtete seine scharfen s’Ffalenn-Züge mit rötlichem Schein. Dann erhellte sich seine Miene, und er setzte ein scharfes Lächeln auf. »Du wirst raten müssen, falls du dazu fähig bist.«
Zu Dakars Überraschung trafen sie am nächsten Tag um die Mittagszeit auf die voll getakelte Khetienn, die für geliehenes Geld mit allem Schmuck und Putz fertiggestellt worden war.
Als ihr Eigner ihre Gestalt zwischen den Inseln erblickte, die Segel unter der flüsternden Brise gebläht, strahlte er aus reiner Freude. Vor dem Hintergrund felsiger Küstenlinien waren ihre rindenbraunen Segel so elegant anzusehen wie die Rüschen im Kleid einer Jungfrau. Der Zweimaster hielt bis ins kleinste Detail, was seine Planung versprochen hatte, von der schlanken, anmutigen Form über die leichte Handhabung bis hin zu dem Lack seiner Spieren, der gülden in der Sonne glänzte.
Neues Segeltuch flatterte donnernd im Wind, als die Segel eingeholt und der Anker gesetzt wurde. Arithon sprang auf, die Klammen des Beibootes der Talliarthe zu lösen, und er strahlte vor Stolz und Freude wie nie zuvor. Dakar überdachte die Vorgänge an seinem sicheren Standort an der Großstag der Schaluppe und kam zu dem Schluß, daß die seeerprobten Vorfahren des s’Ffalenn zu Karthan diese raubfischartige, schlanke Schiffsform viele Jahre lang erprobt haben dürften.
Dann erklang über dem Rasseln der Ankerkette der Schrei eines Kindes; Fiark, wie Dakar zurückzuckend und mit schmerzenden Ohren ohne jeden Zweifel erkennen mußte.
Bestürzt blickte Arithon von den Ruderdollen auf. Sein verblüffter Blick erhaschte zwei Wirrköpfe am Bugspriet des Zweimasters. Des Knaben überschwengliche Jubelschreie wurden, wie nicht anders zu erwarten, sogleich von den ehrerbietigen Heilsrufen gefolgt, mit denen Feylind ihr dunkelhaariges Idol im
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