Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
Anlaß zu Mißtrauen. Sie lachten, wann immer ihm ein Mißgeschick im Umgang mit Schafen und Hunden unterlief; ihre Frauen neckten ihn, wenn er das grobe Garn durcheinanderbrachte, das sie abends im Kreis der Sippe am Feuer mit ihren Spindeln wirkten. Hingegen trug ihm sein Geschick beim Schießen kein Gelächter, sondern kritischen Respekt ein. Für diese Menschen hing das Überleben von ihrer Sicherheit im Umgang mit Pfeil und Bogen ab, die sie sich im Laufe ihrer lebenslangen Übung erworben hatten.
»Wenn sie sportlich genug wären, Wetten abzuschließen, könnten wir einen ganzen Berg Wolle gewinnen«, kommentierte Dakar so übellaunig wie gereizt, als sie mühevoll einen Bergkamm überquerten, der zwei Ansiedelungen voneinander trennte. »So wie die angeben, könnte man glauben, niemand außerhalb dieser Berge hätte je in seinem Leben einen Bogen gesehen.«
Arithon schenkte dem finsteren, feindseligen Blick seines Begleiters keinerlei Beachtung.
»Wir werden nicht bleiben, bis die Lämmer geworfen werden«, führte Dakar hoffnungsvoll die einseitige Konversation fort. »Dann werden die Hirten auf den Weiden übernachten. Das ist ein absolut sicherer Weg, sich auf dem gefrorenen Boden üble Gelenkschmerzen einzufangen.«
Dakars wahre Gedanken waren zu dreist, laut hinauskrakeelt zu werden: Zukünftig würde es nicht leicht sein, bei den Zusammenkünften mit der glöckchentragenden Frau, Dalwyn, den Anstand zu wahren. So oder so sprach die Liaison den Sippengepflogenheiten in höchstem Maße Hohn, und keiner der Ältesten würde ihm je vergeben, würde er die Herden durch diese Affäre drohendem Unheil ausliefern.
Zum ersten Mal seit seiner Pubertät nüchtern und aufmerksam, freute sich der Wahnsinnige Prophet hämisch, wann immer es ihm gelang, Arithon durch seine Sticheleien zu beunruhigen. Für einen so zurückhaltenden Mann mußte die stete Nähe eines feindlich gesonnenen Beobachters wie Salz in einer offenen Wunde sein.
Dennoch war keine Absicht erkennbar, die den Herrn der Schatten dazu treiben mochte, sich in der Gastlichkeit der Sippen zu vergraben und Schafe über die steinigen Weiden zu treiben. Weder die ärmlichen Behausungen noch die halbverhungerten Kinder boten irgendeine Gelegenheit zur Bereicherung. Dakar nagte an seiner Lippe und fragte sich, ob es möglich war, daß Arithon sich einfach treiben ließ wie eine Rauchfahne im Wind. All seine Theorien führten zu nichts. Freundschaftlicher Umgang mit diesen Sippen würde Lysaers Armeen nicht aufhalten können, doch genausowenig würde die mörderische Arbeit den Tag der Abrechnung hinausschieben können, an dem der Zauberbanner, der durch die Magie Asandirs an ihn gekettet war, endlich die Arglist aufdecken würde, die die Wurzel all seines Tuns bildete.
Doch aus Tagen wurden Wochen, bis ein ganzer Monat vergangen war. Als die Sonne am Himmel immer höher kletterte und Tauwetter über die Südhänge brachte, als die Quellen unter dem Eis wieder hörbar zu sprudeln begannen, lag Dakar nachts wach auf seinem Bett aus stinkenden Schaffellen und lauschte, während der Meisterbarde sich stundenlang in Gespräche vertiefte und das Licht der Talgkerzen über die Gesichter der Hirten und Sippenältesten tanzte. Kurz befiel den Wahnsinnigen Propheten ein Schaudern der Furcht. Nur allzu leicht vergaß er, daß sein Plan gefährlich war. Arithon s’Ffalenn mochte vieles sein, doch nie zuvor war er vor einer Konfrontation zurückgewichen.
Gerade als Dakar verzweifelt nach seiner Freiheit dürstete, ehe die Herden auf die höhergelegenen Weidegründe getrieben wurden, erklärte Arithon seine Absicht, abzureisen. Die Schäfer beschlossen, ihm zum Abschied ein Fest auszurichten. Da die Ankündigung zu spät kam, genug Holz für ein großes Feuer zu sammeln, fühlte sich jeder Hirte gemüßigt, die heimischen Vorräte um eine Flasche hochprozentigen Gebräus zu plündern.
Dakar überzeugte sich erneut davon, daß der Geschmack dieses Trunkes ganz und gar unerträglich war.
»Schlimmer als Seifenlauge. Das brennt eine Rinne von der Kehle direkt hinunter in die Leber. Ich war schon einmal von dem Zeug betrunken, und ich müßte schon vollkommen verrückt sein, das noch ein zweites Mal zu tun. Am Morgen danach meldet sich die Urmutter aller Schmerzen zu Besuch.«
Arithon, der sich inmitten eines flohgeplagten Hunderudels offensichtlich wohl fühlte, lehnte sich bequem zurück und starrte den Wahnsinnigen Propheten lachend an. Er trug ein Hemd, wie es
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