Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Freiheit Gewinn zu schlagen, wird der Frieden überdies gewiß länger halten, wenn Ihr Lysaer in dem Glauben laßt, Ihr würdet noch immer loyal zu ihm stehen.«
Bransian kratzte sich am Kopf. »Wißt ihr«, sagte er mit bitterbösem Vergnügen, »es mag uns durchaus zum Vorteil gereichen, würden wir ihn in diesem Irrtum unterstützen. Geschieht dem scheinheiligen Lügner ganz recht.«
»Denkt Ihr tatsächlich?« Auch in Arithons Augen zeigte sich nun ein belustigtes Funkeln. »Normalerweise hätte ich mich gewiß nicht erdreistet, Euch zu bitten, doch die Wahrheit ist, daß es beim nächsten Mal gewiß von Vorteil wäre, frühzeitig zu wissen, welche Vergeltungspläne mein Halbbruder hinter den Mauern seines städtischen Ratssaales ausbrütet.«
»Das gefällt mir.« Keldmar grinste wie eine Wildkatze. »Es wird mir ein außerordentliches Vergnügen sein, diesen blonden Hochstapler für unser Lösegeld aufkommen zu lassen, nur um dann sein Vertrauen gegen ihn zu verwenden. Das ist die gerechte Strafe. Immerhin hat er mich zum Trinken verleitet, um mich als den Gesandten Alestrons in die Irre zu führen, und das ist ein eiskalter Mißbrauch des Gastrechtes. Außerdem klebt das Blut seines eigenen Caithdeins an seinen Händen, und bisher hat ihn niemand dafür zur Rechenschaft gezogen.«
»Das ist der klassische Irrtum«, fügte Parrien zornig hinzu. »Wir sind Clankrieger. Das vergessen diese Städter stets, wenn sie versuchen, uns nach ihren Gesetzen zu behandeln.«
»Dann sind wir uns einig.« Bransian zog seinen Dolch hervor, spuckte auf die Klinge und grinste teuflisch unter dem verfilzten Durcheinander seines Bartes. »Nun habt Ihr doch Verbündete, Hoheit. Ob Ihr damit einverstanden seid oder nicht, spielt kaum eine Rolle. So sicher, wie Ihr der rechtmäßige Thronerbe zu Rathain seid, habt Ihr in Melhalla doch keinerlei Herrschaftsbefugnisse. Es gibt nichts, was Ihr tun könntet, uns davon abzuhalten, in Eurem Sinne zu handeln. Nicht, wenn Ihr vermeiden wollt, meine Autorität mit blanker Klinge herauszufordern und mich ruchlos dem Herrn des Schicksals zu übergeben.«
»Ich will niemanden herausfordern.« Von Ungeduld ergriffen blickte Arithon auf. »Und wir werden auch auf die Dienste der Götter verzichten können. Ich bat jedoch um Eure Unterstützung, als ich sagte, wir sollten Eure emsigen Lanzenreiter davon abhalten, weiterhin durch die Berge zu irren, um Schäfer aufzuschlitzen.«
Noch immer lächelnd schob Arithon s’Ffalenn den Riegel zurück und öffnete die Tür, hinter der die besorgten Gesichter verschiedener Schäfer zum Vorschein kamen, die sich voller Unruhe draußen versammelt hatten. »Der Krieg ist vorbei. Herzog Bransian s’Brydion und seine Brüder haben zugestimmt, und wir konnten unsere Ziele in Einklang bringen.«
Dann trat er hinaus. Endlich wog die Last auf seinen Schultern nicht mehr gar so schwer, und der Weg zur Freiheit lag in greifbarer Nähe.
Eingeschnürt in seine Verbände erkannte Dakar, der Wahnsinnige Prophet, der inmitten der Schäfer wartete, das Aufflackern seltener Freude auf den Zügen des Prinzen von Rathain. Nach all dem Schrecken war dies der Augenblick eines kostbaren Triumphes.
Nun durfte Vastmark wieder zu seiner wilden, ländlichen Pracht zurückkehren. Und jenseits der winterlichen Gipfel des Kelhorngebirges, auf der Weite des Ozeans, wartete die Khetienn, bereit auf das offene Meer hinauszusegeln, dorthin, wo ihr kein Feind mehr folgen konnte.
Ausblicke
Im Althainturm ordnet Sethvir die Triade der Prophezeiungen, die er der Wintersonnenwende entrungen hat, um die zukünftigen Gefahren zu entschlüsseln, die der Nebelgeist mit sich bringen wird: der vielfache Glaubensverlust, herbeigeführt durch Lysaer s’Ilessid, der das Vertrauen der Menschen in die Eingeweihten Aths erschüttern wird; die wiederauflebenden Störungen des Weltengeschehens durch die Korianizauberinnen, nun da der Große Wegestein wieder in ihren Händen ist; und am Scheideweg im Leben des Prinzen von Rathain, unentrinnbar an seinen Namen gebunden, ihn zu unterstützen oder zu zerstören, jene Korianiheilerin, die sein Herz zu Merior gestohlen hat …
Aus einem Turmfenster sieht die gnädige Frau Talith zu, wie die Überlebenden der Garnison Avenors über verschneite Straßen übel zugerichtet aus Vastmark zurückkehren; und wenn sie auch an Lysaers Seite ist, als die Stadtdelegierten Tysans ihre mit blauen und goldenen Bändern versiegelte offizielle Charta
Weitere Kostenlose Bücher