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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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dessen Worte, wenn auch scharf wie Schwertstahl, von zwanghafter Duldsamkeit geprägt waren.
    Die königliche Delegation war in einem exquisit ausgestatteten Gebäude untergebracht, dessen Türen von edlen Säulen flankiert wurden, die entweder mit goldenen oder marmornen Kronen, reich verziert mit eingemeißelten Blättern oder wilden Tieren, versehen waren. Mosaikfußböden und Gewölbedecken bestanden aus poliertem Achat, dessen steinerne Majestät, eingerahmt in Gold oder grüne Jade, ein besänftigendes Muster bildete. Großzügige Bogenfenster, durch die eine erfrischende Brise hereinströmte, öffneten sich in Richtung Meer und umrahmten das Lapislazuli des Hafens von Cheivalt, die bunten Segel der Fischerflotten und die Gewitterwolken, die sich am Horizont zusammenbrauten.
    Doch der weite Ozean erinnerte Lysaer zu sehr an die Freibeuterei des s’Ffalenn, als daß er imstande gewesen wäre, diesen prachtvollen Anblick zu genießen.
    Zum Landesinneren bedeckte reife Gerste die sanften Hügel; Cheivalts wahrer Reichtum waren die weiten Flächen fruchtbaren Ackerlandes. Und tief unter der Erde schlängelten sich noch immer Energieströme dahin, Überreste der vergangenen Mysterien, die schon dagewesen waren, bevor Menschen diese Welt bevölkert hatten; in finsteren Hecken, in denen wilde Lilien blühten und großblumige Winden in kaum geordnetem Rhythmus rankten, zu einer Zeit, als die grasbewachsenen Ebenen noch keine Pflugnarben getragen hatten und Einhörner das Land mit ihrer Schönheit beglückt hatten, einer Schönheit, die sich in die Wildnis von Carithwyr eingebrannt hatte.
    Wenn das Sternenlicht auf die Kornfelder herniederschien, mochte ein Mann noch immer aus den Augenwinkeln ihre tanzenden Geister erblicken.
    Auf Lysaer aber wirkte der ländliche Friede Cheivalts wie der Wundschmerz eines wuchernden Krebsgeschwürs. Mochte er auch mit den Damen und ihren Galanen hinausgehen und an dem Maskentanz im Fackelschein teilhaben, klang doch all das Gelächter und die Fröhlichkeit hohl in seinen Ohren. In diesem Sommer der Gefangenschaft Taliths, war die Stadt für ihn nur ein Käfig, in dem er beständig mit schlechten Nachrichten gefüttert wurde.
    Um das zweite Lösegeld aufzubringen, hatte jeder Mann in seinem Gefolge all seinen Reichtum hingegeben. Die Schmuckschatullen seiner Gemahlin waren ebenso geplündert wie die Schatztruhen all seiner Schiffe, und die Söldner mußten auf ihren Lohn verzichten.
    Und all diesen schweren Opfern folgte Arithons unverfrorene Zurückweisung: Die Bezahlung in Juwelen nannte er unzulänglich, war doch schließlich Gold vereinbart gewesen.
    Während der kristallklaren heißen Tage, in denen Kommissionäre angeheuert wurden, die Juwelen gegen Gold zu tauschen, zügelte Lordkommandant Diegan mühevoll sein Temperament, mehr und mehr beschämt angesichts der untadeligen Anstandsformen von Avenors strahlendem Prinzen.
    Nur wenige Käufer konnten sich auch nur die billigsten Stücke aus Taliths Schmuckschatullen leisten, und so waren sie gezwungen, ihre Juwelen weit unter Wert zu veräußern, wollten sie den Verkauf schnell hinter sich bringen.
    Doch Eile war vonnöten, denn mit jedem Tag, der vorüberging, wurde durch die diplomatischen Zwänge auch das mächtige Kriegerheer gleichermaßen paralysiert in Shand festgehalten. Wie zum Hohn schritt der Sommer immer weiter voran, und jeder weitere Tag verkürzte die Zeit bis zum Herbst, im dem ihn das Wetter zwingen würde, sein so mühsam zusammengestelltes Heer wieder zu entlassen. Die königlichen Offiziere wurden mit jeder Minute gereizter, und die Allianz mit den s’Brydions entwickelte sich zu einem weiteren Problem, goß mit all den herzoglichen Briefen, die darauf drangen, trotz aller staatsmännischen Widernisse zuzuschlagen, gewissermaßen Öl in das schon schwelende Feuer.
    »Ich weiß sehr wohl, daß wir im Morast keine große Schlacht werden schlagen können«, lautete Lysaers Antwort, »doch ich gab mein königliches Wort.«
    Der Schreiber, der den Brief versiegelt hatte, packte eilends seine Federn und flüchtete mit der Botschaft zum Hafen hinunter.
    Außerhalb der Verschwiegenheit seiner Gemächer, zeigte sich Lysaer herzerweichend duldsam: Er wohnte den Gesellschaften des Statthalters bei, küßte den Damen die Hände und diskutierte wertvolle Bücher in den Gärten der Würdenträger Cheivalts. Die Kinder liebten seine Großmut und bettelten beständig zu seinen Füßen, er möge sie die Spiele lehren, die er

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