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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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umschloß ein schmaleres Gesicht von kraftvollerer Schönheit. Kein Schatten hatte sich über die strahlendblauen Augen gelegt, deren Blick trotz Desh-Thieres Fluch noch immer von bestechender Offenheit war. Nur überaus eindringliche Beobachtung vermochte die Bürde zutage zu fördern, die eine solche Aufrichtigkeit mit sich brachte. Kaum waren die zarten Linien des persönlichen Kummers und der Selbstaufopferung zu sehen; unbarmherziges Zeugnis einer edelmütigen Herrschaft, gezügelt von majestätischer Zurückhaltung.
    Zerrissen von Trauer wegen jener Pflichten, die ihm die freie Wahl unmöglich machten, wandte Dakar sich ab. »Es tut mir leid«, flüsterte er.
    Lysaers Förmlichkeit schmolz zu einem Lächeln sonniger Freude hin, und sein warmherziger Blick registrierte die sauberen Kleider und die achtsame Sorge, die Rathains Gesandter ihm entgegenbrachte. »Du siehst aus, als hätte dich jemand gründlich zurechtgestutzt, um einen anständigen Höfling aus dir zu machen.« Er erhob sich und klopfte Dakar auf die Schulter. »Demnach vermute ich, ich habe es mit einem Mann zu tun, den es gar zu sehr nach einem anständigen Trunk dürstet. Wonach steht dir in dieser Hitze der Sinn? Bier? Oder ein edler Rotwein?«
    Sprachlos aufgrund der Tatsache, daß trotz der vier Jahre, die er in Gesellschaft des Feindes verbracht hatte, noch genug Raum für ein gutes Einvernehmen verblieben war, folgte er Lysaer auf dem Fuße, als dieser seinen Leibwächtern mit einem Wink bedeutete, sich fernzuhalten und ihnen einen Augenblick vertrauter Zweisamkeit zu lassen. »Ich gebe dir mein Wort. Die Lagerräume meiner Galeere werden dir den schmerzlosen Zugang zum Paradies eröffnen. Laß dich ruhig verwöhnen, wie es dir gefällt, während ich meine Abreise bekanntgebe. Später werden wir dann Zeit finden, uns zu unterhalten.«
    Dakar würgte sein Unbehagen herunter, wußte er doch, wie gefährlich es anläßlich der Lösegeldübergabe wäre, würde er sich seiner Neigung zu maßloser Trinkerei hingeben. »Ihr habt gar nicht nach Eurer Gemahlin gefragt«, sagte er, und seinem Ton haftete mehr Schärfe an, als er beabsichtigt hatte.
    Lysaer wirbelte um die eigene Achse und starrte ihn mit all der Pracht seiner wohlerwogenen Zurückhaltung an. »Sie ist bei guter Gesundheit, und ihr ist kein Leid geschehen?« Asandirs zurückhaltendes Nicken entlockte ihm ein beinahe herrisches Lächeln. »Also darf ich mich wohl nicht beklagen. Da sie eine Geisel ist, gehe ich davon aus, daß ihren Bedürfnissen in angemessener Weise entsprochen wurde.«
    Beschämt und verlegen schalt Dakar sich selbst einen Narren. Als Gesandter Arithons war er als Vertrauensperson kaum mehr geeignet; dennoch schmerzte ihn die gefühllose Sprache der Diplomatie. Ohne nachzudenken tat er den ersten Schritt in die Falle, als er sich Arithons Verhalten auf dem Kai von Ostermere entsann. Auf den Knien hatte der Prinz von Rathain den Hüter des Althainturmes gewarnt und sich so gänzlich ohne Rücksicht auf seine eigenen politischen Interessen zu seiner Angst und seiner Bestürzung bekannt.
    Eigensinnig und bösartig defensiv, wann immer er sich bedrängt fühlte, verbarg Arithon s’Ffalenn doch niemals Geheimnisse hinter einer Fassade manierlicher Höflichkeit.
    Dakar begann zu grübeln. Ohne sich Asandirs spekulativen Interesses an seiner Person bewußt zu sein, erduldete er all die formvollendete Galanterie, als Prinz Lysaer seine Schuld gegenüber dem Haushalt des Statthalters beglich. Er hatte kein Lächeln für die geistreichen Bemerkungen. Auch fühlte er sich nicht der Kameradschaft zugehörig, von der Prinz Lysaers Gefolge in Bann gezogen war. Und es gelang ihm nicht, sich des giftigen, schleichenden Verdachts zu erwehren, daß die alten freundschaftlichen Bande ausgenutzt werden mochten, aus seinen jüngeren Beziehungen Kapital zu schlagen.
    Jede Möglichkeit, Lysaers Absichten auf die Probe zu stellen, ging in dem Wirbelsturm unter, als sich Wachen und Diener Avenors für die eilige Abreise bereitmachten. Während eine ganze Parade von Offizieren, die auf direkte Anordnungen ihres Prinzen erpicht waren, ihn verdrängte, erkannte Dakar widerwillig, wie sehr er sich bereits Arithons stetem Unabhängigkeitsbestreben angeglichen hatte. Die kriecherische Ehrerbietigkeit der jungen Pagen, die unterwürfige Geschäftigkeit des Kammerdieners und der Wachen, die sich im Wettstreit mit der Schiffsbesatzung förmlich überschlugen, ein gutes Bild abzugeben, zerrte an

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