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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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fielen die Strahlen schräg durch die hohen Fenster auf die weiß getünchten Wände des langen Gangs, wo ein einfaches Kruzifix neben einer schlichten Marienstatue hing. Eher zufällig als neugierig blickte Jana auf die kunstvolle Schnitzarbeit, als etwas sie irritierte. Sie hielt inne und sah sich um. Doch sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Gang war leer, dennoch fühlte sie sich bedroht und beobachtet. Ob Edmundo irgendwo auf sie lauerte?
    Jana trat zu einem der hohen Fenster und blickte in den Garten, auch dort konnte sie niemanden entdecken. Alle Brüder hatten sich bereits im Speisesaal versammelt oder waren auf dem Weg dorthin. Ein leiser Schauer lief Jana über den Rücken, die winzigen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, doch sie konnte nicht sagen, wovor sie Angst hatte. Was war nur los mit ihr? Warum hatte sie solche Angst?
    Plötzlich traf sie die Erkenntnis wie ein schwerer Fausthieb. Es war der Geruch, der sie ängstigte. Ein süßer, schwerer Moschusduft lag in der Luft. Ekelerregend klebrig und viel zu aufdringlich für ein Kloster. Jana hätte dieses Parfüm aus allen Gerüchen der Welt wiedererkannt.
    Benommen lehnte sie sich an die kühle Wand und hörte nun Stimmen, die sich in Ignazios Kammer unterhielten. Sie stieß sich wieder von der Wand ab und trat ganz nah an die Tür. Neugierig presste sie ihr Ohr an das glattgehobelte Holz. Es bestand kein Zweifel. Jana hätte die Stimme aus jedem Gewirr aus Geräuschen wiedererkannt. Hinter der schweren Tür befand sich jener Mann, der sie in Lissabon entführt hatte. Der Mann ohne Nase, der vielleicht der Mörder ihres Vaters und ganz sicher im Auftrag der Kirche hinter der Schatzkarte her war.
    Schlagartig wurde Jana übel, und das Surren in den Ohren setzte wieder ein. Die hellen Wände schienen ins Wanken zu geraten, als drohten sie, auf sie zu stürzen. Ihr Herz begann zu rasen. Konnte es sein, dass der freundliche Pater Ignazio mit dem entstellten Mönch unter einer Decke steckte? War auch er hinter der Schatzkarte her? Jana hatte an diesem Tag noch nichts gegessen, trotzdem hatte sie das Gefühl, sich auf der Stelle übergeben zu müssen.
    Benommen wollte sie nach ihren Röcken greifen, um sie hochzuheben, aber sie trug keine und griff ins Leere. Hastig lief Jana zur Treppe und geriet ins Stolpern. Geschickt fing sie sich auf und hastete weiter. Sie nahm immer zwei Stufen auf einmal, stürzte dann in den Klostergarten über den gekiesten Weg zum kleinen Holztor und riss an der schweren Metallschnalle. Die Tür war abgesperrt, dabei war sie doch heute Morgen noch offen gewesen. Wenn sie hinauswollte, musste sie über die Mauer klettern. Jana blinzelte gegen die tiefstehende Sonne in den Himmel. Wohin wollte sie flüchten? Jana griff sich mit beiden Händen an die Stirn und atmete tief durch, was mit zusammengeschnürter Brust gar nicht so einfach war. War sie gerade im Begriff, ihren Verstand zu verlieren? Hatte sie sich die Stimme und den Geruch bloß eingebildet? Hier im Garten, an der frischen Luft, wo Vögel um die Wette sangen und Insekten um prächtige Blüten surrten, erschien ihre Angst plötzlich völlig absurd. Es war die Trauer um Conrad, die sie um ihren Verstand brachte.
    »Conrad!«, flüsterte sie, und erneut stiegen die Tränen hoch. Ihre Kehle schnürte sich wieder zu, und langsam sackte Jana auf den warmen Kiesboden. Die kleinen Steine hatten die Wärme des Tages gespeichert, sie drückten sich schmerzhaft in die weiche Haut ihrer Handflächen. Jana wollte aufhören zu weinen. Aber sie konnte sich nicht gegen die Traurigkeit wehren. Die salzigen Tränen flossen stetig aus ihren Augen, und jedes Mal, wenn sie glaubte, dass sie endlich versiegten, kamen neue. Sie hörte Stimmen, die nicht da waren, und roch Parfüms aus einer Welt, die längst hinter ihr lag. Jana hob ihre Hände, ballte sie zu Fäusten und presste sie so lange und fest gegen die Augen, bis sie helle Kreise sah. Sie wollte, dass die Tränen endlich aufhörten zu fließen.
    Jana konzentrierte sich auf den Schmerz, den ihre Fäuste auslösten, und hörte die Schritte nicht, die sich von hinten näherten. Als eine Wolke süßen Moschusgeruchs sie einhüllte, glaubte sie erneut, dass ihre Fantasie ihr einen Streich spielte. Erst als die Schlinge sich um ihren Hals zog, begriff sie, dass sie nicht verrückt war. Aber da war es bereits zu spät.
    Jana fasste mit beiden Händen nach der Schlinge und versuchte sie zu lockern, aber ohne Erfolg, das Seil

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