Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
des Tisches. »Seit kurzem führe ich auch Handel mit Bewohnern von Trinidad. Benötigt Ihr Waren von der Insel, oder wollt Ihr Eure Waren dort verkaufen?«
Janas Herz schlug schneller. Trinidad, das war die Insel, die gleich neben Tobago lag.
»Ich will weder verkaufen noch kaufen«, erklärte sie. »Ich bin auf der Suche nach Informationen über einen guten Freund, der vor Wochen auf einer portugiesischen Nao nach Amerika segelte. Kurz vor Tobago wurde das Schiff von Piraten überfallen. Habt Ihr vom Überfall auf die Santa Lucia gehört?«
Pacorro kratzte sich den schütter werdenden Kopf und nickte: »Ja, ich habe davon gehört. Die Piraten haben die Nao angezündet, was merkwürdig ist, schließlich war es ein wertvolles Schiff. Aber angeblich war der Anführer so verärgert, dass sich keine wertvolle Fracht auf dem Schiff befand. Aus purer Wut soll er das Feuer gelegt haben. Wahrscheinlich hatte er davor schon so fette Beute gemacht, dass er auf das Schiff verzichten konnte.«
Nun fingen Janas Hände vor Aufregung an zu zittern. Seit sie Tobago verlassen hatte, war der Händler der erste Mann, der von dem Überfall gehört hatte. Ihre Flucht hatte sie zuerst nach Caracas geführt. Dort wusste niemand, was im Orinoco Delta vor sich ging.
»Gab es Überlebende?«, fragte sie tonlos.
So als hätte Jana ihn gefragt, ob Menschen drei Beine und zwei Köpfe hätten, starrte Pacorro sie an und schüttelte mitleidig den Kopf: »Niemand überlebt einen Angriff der Bukanier. Außer sie erhoffen sich Lösegeldzahlungen.«
»Aber es könnte doch sein, dass sich Männer bei diesem Überfall retten konnten.«
Bedauernd schüttelte der Händler den Kopf: »Davon hätte ich gehört. Neuigkeiten wie diese sprechen sich immer sehr schnell herum. Seid gewiss, bei diesem Überfall wurden bis auf eine reiche Frau und eine Handvoll schwarzer Sklaven alle getötet.«
Jana schluckte hart. Sie wusste, wer die reiche Frau war. Niedergeschlagen bedankte sie sich und verließ die Küche wieder. Als sie in den Garten trat, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, sie strömten förmlich über ihre Wangen. Die Kinder vor dem Haus beobachteten sie voller Neugier, dennoch machte Jana sich nicht die Mühe, die Tränen wegzuwischen. Sie schniefte und lief, so schnell sie konnte, zurück zum Kloster.
Dort angekommen verfluchte sie erneut ihre Verkleidung. Als sie den sonnendurchfluteten Gang zum Gästeschlafraum betrat, rannte sie Bruder Edmundo direkt in die Arme.
»Wo seid Ihr so früh am Morgen gewesen?«, fragte er und starrte wieder auf ihren Busen. Jana wusste, dass das Tuch ordentlich gebunden war, sie bekam kaum Luft, weil es so fest saß.
»Ich mache gern einen Spaziergang, bevor ich den Tag beginne. Dabei kann man die Gedanken im Kopf ordnen und den Tag planen«, log sie.
Der Alte kniff die Augen zusammen. Er glaubte ihr kein Wort, und natürlich hätte Jana ihm die Wahrheit sagen können, aber sie wollte nicht, dass der Alte auch nur das Geringste über sie wusste.
»Ihr seht aus wie eine Frau und heult auch wie eine«, keifte Edmundo.
Er hatte also erkannt, dass sie geweint hatte.
»Ihr irrt Euch«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin an einem blühenden Feld vorbeigegangen und reagiere immer mit tränenden Augen.«
»Feld? Tränen?«, krächzte der Alte. »Die Jugend verweichlicht. Bei der winzigsten Kleinigkeit wird geheult, dass man glauben könnte, die Welt geht unter.«
Jana ließ Edmundo stehen und drängte sich an ihm vorbei. Als sie das Ende des Gangs erreicht hatte, hörte sie ihn immer noch schimpfen. »Was soll nur aus unserer Zukunft werden?«
Jana lief weiter zur Gästekammer, doch die war leer. Tom füllte wahrscheinlich auf den Märkten von Barinas die Proviantvorräte auf, während Richard sich wohl ausschließlich um seine leer gewordenen Flaschen kümmerte.
Jana warf sich auf ihr Bett und lockerte das Band um ihre Brust, in der Hoffnung durchatmen zu können, aber ohne Erfolg. Ihre Kehle war zugeschnürt, was nichts mit dem Tuch zu tun hatte, sondern mit der Gewissheit, Conrad nie wiederzusehen. Sie vergrub ihr Gesicht in beiden Händen und weinte hemmungslos. Was sollte sie nun tun? Die ganze Reise machte keinen Sinn mehr. Was nutzte der Schatz ihr, wenn sie allein war? Gerne würde sie auf all das Gold verzichten, wenn sie Conrad noch einmal in die Arme schließen könnte. Als ihr Hemd von ihren Tränen völlig durchnässt war, hörte sie Schritte, die sich über den Gang näherten.
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